Tod eines Lehrers
Geschmack einer jungen Frau, die verspielten Muster der Gardinen und des Bettüberzugs kamen ihm bekannt vor, doch ihm fiel der Name des Designers oder der Designerin nicht ein, obwohl seine Ex vor Jahren schon ein Zimmerin einem ähnlichen Stil eingerichtet und dafür ein halbes Vermögen ausgegeben hatte, worüber die Bank nicht sonderlich erfreut gewesen war. Doch hier war das Geld vorhanden, man dachte nicht darüber nach, man hatte es einfach.
»Frau Abele, vorab zu Ihrer Information – Herr Teichmann, Ihr Deutschlehrer, wurde vergangene Nacht ebenfalls ermordet.« Er beobachtete genau die Reaktion auf diese Nachricht. Kerstin sah ihn für einen kurzen Moment an – ihre Überraschung hielt sich in Grenzen, was Brandt etwas stutzig machte –, um gleich darauf ihren Blick wieder abzuwenden.
»Herr Teichmann? Das ist furchtbar«, sagte sie und nestelte nervös an einem Kissen. »Zwei meiner Lehrer in einer Woche.«
»Innerhalb von zwei Tagen, um genau zu sein. Was geht jetzt in Ihnen vor?«
»Das muss ich erst mal verdauen. Wir haben uns alle gewundert, dass heute Deutsch ausgefallen ist, weil Herr Teichmann sonst immer da war. Jetzt weiß ich, warum es ausgefallen ist. Wissen Sie schon, wer’s getan hat?«
»Noch nicht, doch es wird bestimmt nicht mehr lange dauern. Aber das ist nicht der eigentliche Grund, weshalb ich gekommen bin.« Er holte das Foto hervor und legte es auf das Bett. »Ich nehme an, Sie kennen diese junge Dame.«
Kerstin warf einen langen Blick darauf. Ihr Atem ging schneller, sie vermied es erneut, Brandt anzusehen, und schien noch nervöser zu werden.
»Das ist Maureen.« Sie setzte sich auf, ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Warum zeigen Sie mir ausgerechnet jetzt dieses Foto?«
»Nun, ich würde gerne wissen, wie gut Sie Frau Neihuus gekannt haben.«
»Sie war meine beste Freundin. Und jetzt ist sie irgendwo da oben«, antwortete sie, den Blick zur Decke gerichtet. »Hat das irgendwas mit Schirner und Teichmann zu tun?«
»Wie kommen Sie denn darauf?«
»Sonst würden Sie mir doch das Foto nicht zeigen, oder? Hat es was damit zu tun?«
»Möglich. Im Moment versuche ich nur Zusammenhänge zu erkennen.«
»Was für Zusammenhänge?«
»Wir wissen ja bis jetzt nicht, wer Schirner und Teichmann auf dem Gewissen hat, und müssen recherchieren. Aber Sie haben gesagt, Frau Neihuus war Ihre beste Freundin. Haben Sie eine Ahnung, weshalb Sie sich das Leben genommen hat?«
Kerstin zuckte mit den Schultern. Sie hatte Mühe zu sprechen. Sie nahm ein Taschentuch von dem kleinen Beistelltisch und wischte sich die Tränen ab.
»Nein, sie hat nicht gesagt, dass sie so etwas vorhatte. Sie ist einfach auf das Dach gestiegen und …«
Brandt wartete mit seiner nächsten Frage, bis Kerstin sich einigermaßen gefangen hatte. »Aus der Schulakte geht hervor, dass es am 17. November letzten Jahres passiert ist. Ich weiß aber bis jetzt nicht, wann genau an diesem 17. November. Waren Sie an diesem Tag zusammen?«
Kerstin nickte. »Ja, Maureen war bei mir. Wir haben für Mathe gelernt und uns noch ein bisschen unterhalten. Sie ist so gegen sechs gegangen und …« Diesmal ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Brandt wartete erneut, bis sie sich einigermaßen beruhigt hatte. Sie putzte sich die Nase, ihre Wimperntusche war verlaufen. »Es war auf jeden Fall schon dunkel, und deshalb hat keiner gesehen, wie sie …«
»Und über was haben Sie sich unterhalten?«
»Alles Mögliche. Ist doch auch unwichtig. Außerdem kann ich mich nicht mehr so genau dran erinnern.«
»Wissen Sie, ich bin schon lange bei der Polizei, und wenn jemand so plötzlich und unerwartet aus dem Leben gerissen wird, vergisst kaum einer das letzte Treffen und Gespräch mit der Person, mit der man so vertraut war. Sie können es mir ruhig sagen, ich kann schweigen wie ein Grab.«
»Es waren wirklich nur Belanglosigkeiten, über Musik, über die Schule und so ’n Zeug.«
»Und Frau Neihuus hat keine Andeutungen gemacht, dass sie Selbstmord begehen wollte?«
»Nein. Es heißt doch, wer davon spricht, tut’s nicht.«
»Von wem haben Sie denn diese Weisheit?«
»Schirner. Wir haben mal in Ethik darüber gesprochen. Er hat gesagt, Selbstmord sei nie eine Lösung, sondern nur ein Davonlaufen vor Problemen.«
»Und welche Probleme hatte Frau Neihuus?«
»Keinen Schimmer.«
Brandt schüttelte den Kopf und faltete die Hände. »Sorry, aber das nehme ich Ihnen nicht ab. Mir wurde gesagt, dass Ihre Freundin vor ihrem
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