Tod eines Lehrers
jetzt mal kurz ins Präsidium? Es ist gerade mal Viertel nach zehn, und die Nacht ist noch lang.« Sie winkte den Kellner herbei und sagte: »A conta, se faz favor.«
Der Ober entfernte sich und brachte die Rechnung auf einem Teller. Brandt griff bereits nach seiner Geldbörse, doch Andrea Sievers winkte ab. »Ich habe dich praktisch gezwungen, mit mir essen zu gehen, also geht dieser Abend auf meine Rechnung. Und keine Widerrede!«
»Aber …«
»Keine Widerrede.« Sie reichte dem Kellner ihre Kreditkarte, steckte die Rechnung ein, sie tranken noch ein Glas des herrlich süffigen Weins und verließen um halb elf das Restaurant. Draußen blies ihnen der kalte Wind ins Gesicht. Sie liefen mit schnellen Schritten zum Auto und fuhren ins Präsidium, wo nur in einigenBüros noch Licht brannte, in der Einsatzzentrale und beim KDD.
Brandt betätigte den Lichtschalter, holte das Video aus dem Regal und steckte es in den Rekorder. Bereits nach einer Minute sagte Andrea Sievers: »Spul noch mal ein ganz kleines Stück zurück, bis ich Halt sage, und schalte dann auf Standbild … So, jetzt stopp. Hier sieht man, dass die Kleine vorher was eingenommen oder bekommen hat. Ihre Augen. Ich tippe auf Koks.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Fachmännischer Blick. Ich habe mich während meines Studiums damit befasst. Kannst weiterlaufen lassen … Stopp. Hm, ihre Bewegungen wirken irgendwie mechanisch, als wäre sie gar nicht richtig bei der Sache. Könnte auf ein Beruhigungsmittel hindeuten …«
»Koks und Beruhigungsmittel?«, fragte Brandt zweifelnd. »Das ist doch eine völlig gegensätzliche Wirkung.«
»Kommt auf das Mittel an. Vielleicht ein Muskelrelaxans … Mach weiter … Uups, das tut weh, das muss sogar höllisch wehtun, aber sie verzieht keine Miene. Sie verspürt weder Lust noch Widerwillen. Die hat hundertprozentig was bekommen. Das Mädchen stand eindeutig unter Drogen. Scheiße, wenn man so was sieht. Wie alt war sie, als das aufgenommen wurde?«
»Siebzehn.«
»Eine Siebzehnjährige, die sich von zwei Männern gleichzeitig … Ich kann verstehen, dass da jemand eine gehörige Portion Wut gehabt haben muss. Und für sie war die Unbeschwertheit der Jugend dahin. Es gibt schon verdammte Schweine.«
»Wem sagst du das. Aber weiterhelfen kannst du mir auch nicht.«
»Bring mich bitte nach Hause.«
»Okay.« Brandt schaltete den Videorekorder und den Fernseher aus und löschte das Licht. Nur eine Viertelstunde später hielt er vor dem Haus, in dem Andrea Sievers wohnte. Diesmal hatte er Glück und fand sofort einen Parkplatz.
»Ich bin noch nicht müde. Hast du Lust, auf einen Kaffee mit hochzukommen?«, fragte sie und sah ihn von der Seite an.
»Kaffee um diese Zeit?«
»Warum nicht? Ich habe aber auch Wein oder Wasser oder Milch … Ich meine, ich zwinge dich nicht, aber der Abend hat doch gerade erst angefangen.«
»Es ist halb zwölf, und das nennst du Abend?«
»Kommst du jetzt oder nicht?«
»Na ja, von mir aus.«
»Du hörst dich vielleicht begeistert an. Jetzt zier dich nicht, mach den Motor aus und komm mit, ich beiß schon nicht. Ich vergehe mich grundsätzlich nicht an lebenden Personen«, sagte sie schelmisch grinsend.
Sie stiegen aus und gingen in den dritten Stock des Altbaus. Die Stufen knarrten unter ihren Füßen. Aus einer Wohnung im ersten Stock kam lautes Geschrei. Andrea Sievers erzählte, dies sei ein junges Pärchen, das sich fast jeden Abend streite, um sich anschließend noch lauter wieder zu versöhnen.
Sie hatte eine große, geschmackvoll eingerichtete Dreizimmerwohnung, es war kuschelig und warm.
»Schöne Wohnung. Die Einrichtung gefällt mir«, sagte Brandt.
»Mir auch. Elvira findet es ein bisschen zu verspielt, aber ihr soll’s ja nicht gefallen. Setz dich irgendwohin, ich hol uns was zu trinken. Was möchtest du denn haben? Wein oder ein Bier?«
»Ich bleibe lieber bei Wein«, antwortete er und dachte gleichzeitig, dass er noch nach Hause fahren und es deshalb bei einem Glas belassen musste.
»Ich auch.« Sie kam mit einer Flasche und zwei Gläsern – die Schuhe hatte sie ausgezogen – und nahm neben ihm auf dem weichen breiten Sofa Platz. »Magst du sie aufmachen?« Sie reichte ihm den Korkenzieher, er zog den Korken heraus und schenkte ein.
»Auf dich und dass du den Fall so bald wie möglich löst«, sagte sie und prostete ihm zu.
»Nein, auf dich«, entgegnete er. »Du hast das Essen bezahlt und …«
»Das nächste Mal bist du dran. Was für Musik
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