Tod eines Lehrers
hielt inne, stützte ihre Ellbogen auf den Tisch und faltete die Hände.
»Und zu welchem Ergebnis bist du gekommen?«
»Also noch mal von vorne. Maureen und ihre Freundinnen sind in der Zehn sitzen geblieben. Sie haben wiederholt und dann Schirner als Klassenlehrer bekommen. Nachdem du mir gestern einige Details erzählt hast, hab ich mich heute Morgen gefragt, warum die Leistungen der Mädchen mit einem Mal so gut geworden sind, und weißt du, was ich denke?«
»Nein, aber du wirst es mir sicherlich gleich sagen.«
»Der Knackpunkt sind möglicherweise die Eltern. Schirner hat genau gewusst, wie streng die Eltern der Mädchen waren. Und das hat er gnadenlos ausgenutzt. Womit wir wieder bei der Erpressung wären. Ab der Elf bereitest du dich aufs Abi vor, und da wird von vielen Seiten ein ungeheurer Druck aufgebaut, unter anderem von den Eltern. Und dem hält längst nicht jeder stand. Dazu kommt, er war Klassen- und Vertrauenslehrer und natürlich bestens über seine Wackelkandidatinnen informiert. Und irgendwie hat er es geschafft, dass der Punkteschnitt sich immer im grünen Bereich bewegte.«
»Ich verstehe nicht ganz, worauf du hinauswillst.«
»Ganz einfach, er hat ihnen seine Hilfe angeboten. Teichmann war sein bester Freund, der hat natürlich, geil, wie er war, mitgemacht, aber an die Hilfe waren knallharte Bedingungen geknüpft. Kannst du mir jetzt folgen?«
»Du meinst, er und Teichmann haben die Mädchen praktisch gezwungen … Moment, das würde aber bedeuten, dass die beiden andern auch …« Er legte sein Brötchen auf den Teller und lehnte sich zurück. »Wenn das stimmt, dann …« Er schüttelte den Kopf. »Da ist ein Denkfehler. Du kannst nicht drei Mädchen zu sexuellen Handlungen zwingen, ohne dass nicht wenigstens eine von ihnen quatscht.«
»Finde es heraus, indem du die andern zwei einfach fragst.«
»Das sagst du so leicht. Da muss man ganz behutsam vorgehen.«
»Genau deshalb würde ich gerne mitkommen. Einer Frau gegenüber sind sie vielleicht gesprächiger.«
»Aber wer hat mir das Video geschickt? Ich glaube kaum, dass die Mädchen eine Kopie davon hatten.«
»Und was ist, wenn jemand das Video gefunden hat, rein zufällig, versteht sich?«
Brandt überlegte. Ihm fiel mit einem Mal sein letzter Besuch bei Schirners ein, wie Carmen sofort wusste, wo der Schlüssel zum Schreibtisch versteckt war. Er schluckte schwer, denn er stellte sich vor, dass Carmen …
»Was ist?«, wurde er von Andrea Sievers in seinen Gedanken unterbrochen, die merkte, wie es in ihm arbeitete.
»Schirners Tochter. Seine Frau kannte zwar das Arbeitszimmer ihres Mannes, doch sie hat es wohl so gut wie nie betreten. Aber Carmen kennt sich bestens darin aus. Allerdings war sie in Frankfurt, als ihr Vater umgebracht wurde.«
»Wie alt ist Carmen?«
»Zwanzig.«
»Vielleicht kennt sie ja die andern Mädchen.«
»Gut möglich, sie ist auch auf das Gymnasium gegangen. Aber normalerweise verkehren doch die Schüler aus der Dreizehn nicht mit denen aus der Zehn oder Elf.«
»Das stimmt nur bedingt. Viele Abiturienten geben Nachhilfe.«
»Okay, fahren wir. Als Erstes will ich mit Carmen sprechen. Sie kommt für mich im Augenblick als Einzige infrage, die mir das Video geschickt haben könnte. Solltest du Recht haben, dann spendiere ich dir eine Reise nach Portugal.«
»Aber nur, wenn du mitkommst.«
»Meinst du, ich lass dich allein fahren?«, sagte er grinsend. »Doch das lässt mir jetzt keine Ruhe mehr.«
»Ich weiß doch gar nicht, ob ich Recht habe. Es war nur so eine Idee von mir. Aber willst du wirklich erst Schirners Tochter befragen? Meinst du nicht, es wäre besser, mit Kerstin und Silvia anzufangen?«
Brandt nickte und sagte: »Im Prinzip ist es egal, wo wir anfangen.Wobei, Kerstin scheint mir von allen die sensibelste zu sein. Nein, ich weiß jetzt, wie ich’s anstelle. Wir holen Kerstin und Silvia von zu Hause ab und fahren zu Carmen. Dabei wird sich herausstellen, ob die sich kennen. Und dann schauen wir einfach weiter.«
»Falls sich alle drei kennen, würde das aber unter Umständen bedeuten, dass du es mit drei Mörderinnen zu tun hast. Das würde auch die extrem vielen Einstiche erklären.«
»Wir werden sehen.«
Sie zogen sich warm an und gingen zum Auto. Die Scheiben waren zugefroren.
»Auch noch kratzen«, quetschte Brandt durch die Lippen.
»Warte«, sagte Andrea Sievers, »ich habe in meinem Wagen ein Enteisungsspray.« Sie holte das Spray, und innerhalb von zwei Minuten
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