Tod eines Maechtigen
inniger miteinander verbunden, als andere es je sein konnten.
Aber mehr noch war Beth zu Liliths Katharsis geworden. Gereinigt durch die Magie des Korridors, hatte sie das Böse in Lilith nicht nur absorbiert, sondern war darüber hinaus zu etwas wie Lilith Edens neuem Gewissen geworden, stützte und festigte die menschliche Seite der Halbvampirin. Daß Liliths Probleme durch diese Fügung nicht weniger und ihr Leben nicht einfacher geworden waren, hatte sich noch vor Ort gezeigt: als Lilith den Lilienkelch gefunden hatte - und ihn.
Ihn, dessen Namen sie nicht kannte und dem sie doch verfallen war in dem Moment, da sie ihn gesehen hatte - obschon er buchstäblich nichts getan hatte, um Lilith für sich einzunehmen. Er hatte nur dagelegen - wie tot .
Lilith hatte den Fremden aus der Vorkammer des Zeitkorridors geschafft, ohne einen Grund dafür benennen zu können. Sein Anblick hatte irgend etwas in ihr angerührt, und etwas, das unsichtbar von ihm ausging wie ein steter Strom, der seinen Poren entstieg, machte Lilith taub und blind für alle Vernunft.
Er war ein Mysterium - und Lilith konnte dem Wunsch nicht widerstehen, sein Geheimnis zu lösen.
Aber das war nicht ihr alleiniger Beweggrund; eher nur der, den sie sich selbst gegenüber angab, um wenigstens irgendeine Erklärung für ihr doch so absurdes Handeln zu haben.
Tatsächlich war es so, daß sie schlicht nicht von ihm lassen konnte, nicht ohne ihn sein wollte - ohne ihn wirklich zu kennen. Irgend etwas (Magisches?) band sie an ihn, und aller Wille konnte dieses Band nicht lösen.
Sie wollte ihm helfen, ihn retten - denn daß er nicht tot war und Hilfe nicht zu spät kommen würde, konnte Lilith spüren: Es mochte zwar kein fühlbares Leben in dem makellos schönen Körper sein, aber der Tod hatte ebensowenig Besitz von ihm ergriffen.
Hätte Beth sich in Lilith noch bemerkbar machen können, würde sie alles unternommen haben, um Lilith von ihrem Vorhaben abzubringen, dessen war sich die Halbvampirin gewiß. Aber Beth vermochte nicht mehr zu ihr zu sprechen, und sie hatte keinen Einfluß auf ihr Tun - sie war mit Lilith verschmolzen, eins mit ihr geworden. Mehr nicht, und nicht weniger .
Lilith wollte den Fremden an einen Ort bringen, an dem sie sich ihm in aller Ruhe widmen konnte. Einen Ort, an dem nichts und nie-mand sie stören konnte - und dieses Nichts und Niemand bezog sich für Lilith vor allem auf ihre ewigen Feinde, die Vampire.
Wo aber war die Welt frei von Vampiren?
Beth kannte einen solchen Ort, hatte ihn als Elisabeth Stifter aufgesucht! Und das Wissen darum gehörte nun auch Lilith.
Und so reiste sie von Uruk nach Jerusalem, in ihrer Begleitung ein Mann, den alle für tot halten mußten .
... was die Reise noch schwieriger gestaltete, als sie es ohnedies schon war.
Öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch zu nehmen konnte Lilith sich nicht erlauben; da half ihr alles vampirische Talent nichts. Größere Menschenmengen so zu beeinflussen, daß sie gleichsam blind wurden für den Anblick eines »Toten«, das überstieg ihre suggestiven Fähigkeiten .
So blieb ihr nichts anderes übrig, als fahrende Händler und Alleinreisende für ihre Zwecke einzuspannen. Zumeist im Schutze der Dunkelheit kamen sie so ihrem Ziel näher, nur langsam zwar, aber doch Stück um Stück.
Der lange Weg nach Jerusalem hatte zudem ein Gutes noch: Lilith hatte Zeit, wieder zu sich selbst zu finden. Sie schaffte es, ihre Gedanken zu ordnen und das Wissen, das sie durch Beth erlangt hatte, mit ihrem eigenen zu verknüpfen. So ergab sich allmählich ein Bild ihres Lebens, das den Verlust ihrer Erinnerung, unter dem sie noch immer litt, zwar nicht wettmachte, aber zumindest ein brauchbarer Ersatz war - trotz der Lücken, die zwangsläufig noch darin klafften. Denn noch immer wußte Lilith nicht, was geschehen war, nachdem sie damals den Zeitkorridor aufgesucht - und ihre beste Freundin Beth MacKinsey kaltblütig ermordet hatte. 4
Schließlich war Lilith mit ihrem namenlosen Begleiter an den alten Tamir Tameyel geraten, den sie »überredet« hatte, sie bis vor die Tore Jerusalems zu chauffieren, wo er ihnen eine Passage in die Stadt »besorgt« hatte. Und so waren sie endlich - und rein zufällig, weil er an jenem Morgen der erste Kunde Tamir Tameyels gewesen war - im Hause Gershom Chaims untergekommen, wo Lilith ungestört darüber nachsinnen wollte, wie dem noch immer Fremden, der ihr doch so vertraut war, zu helfen sei.
Daß sie diese Ruhe letztlich - und
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