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Tod eines Maechtigen

Tod eines Maechtigen

Titel: Tod eines Maechtigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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die Studentin noch mehr schaudern ließ, so tiefgehend, daß sie meinte, Rauhreif müsse ihre Knochen umkrusten.
    »Was Sie für mich tun können?« fragte der andere auf Englisch.
    Shulamith nickte nur.
    »Sie könnten mich führen«, erwiderte der Fremde.
    Die junge Frau wies hinter sich. »Bitte, dann folgen Sie mir.«
    Der andere schüttelte den Kopf. »Ich dachte eher an eine Führung in - nun, sagen wir, etwas privaterem Rahmen, ein wenig intimer.«
    »Tut mir leid«, entgegnete Shulamith Gur. »Aber ich fürchte -«
    Sie gewann ein wenig von ihrer Selbstsicherheit zurück. Dieser Mann war nicht der erste, der mit einem solchen - oder einem ähnlichen - Ansinnen an sie herantrat. Und stets hatte ihr der Blick dieser Männer verraten, daß es ihnen nicht darum ging, die architektonischen und religiösen Sehenswürdigkeiten Jerusalems gezeigt zu bekommen; vielmehr schienen sie der Ansicht zu sein, daß junge Studentinnen noch ganz andere »Dienstleistungen« anzubieten bereit wären, um ihr Einkommen aufzubessern.
    Nun, solche Mädchen mochte es durchaus geben. Shulamith Gur indes zählte sich nicht dazu. So nötig hatte sie das Geld nun auch nicht .
    Sie lächelte, freundlich, höflich, unverbindlich, und sagte ohne echtes Bedauern: »Wenn Sie mich dann entschuldigen, ich muß zu meiner Gruppe -«
    Schon wollte sie sich umdrehen, wurde aber inmitten der Bewegung gestoppt, so abrupt, als habe eine Hand sie beim Arm gepackt. Und tatsächlich meinte sie eine solche Berührung zu spüren! Als sie jedoch entrüstet den Blick senkte, sah sie, daß dem nicht so war -und der Fremde stand noch in derselben Haltung wie in dem Moment, da sie sich von ihm abgewandt hatte.
    »Hören Sie -«, begann sie, wurde aber unterbrochen.
    »Nein, Sie hören mir zu«, sagte der andere leidenschaftslos.
    Und sie tat es .
    ». es wird Ihr Schaden nicht sein«, schloß der Fremde.
    »Wie ...«, fragte Shulamith stockend; sie fühlte sich wie betäubt, ». wie meinen Sie das?«
    Der andere zuckte vage die Schultern. »Nun, Sie brauchen sich um Ihren weiteren Lebensweg keine Sorgen mehr machen.«
    »Ich verstehe nicht .«
    »Sie werden verstehen, seien Sie sich dessen gewiß.«
    »Ich muß gehen«, sagte Shulamith lahm und trat zwei, drei unbeholfene Schritte nach hinten.
    Der andere nickte. »Ich erwarte Sie dann hier.«
    »Ja, ist gut«, erwiderte die junge Frau. Je weiter sie sich von dem Fremden entfernte, desto sicherer wurden ihre Bewegungen. Dennoch entkam sie ihm - oder vielmehr dem, was ihn unsichtbar umgab - nicht völlig, und sie wußte, daß sich daran nichts ändern würde, ganz gleich, wie groß die Distanz zwischen ihnen auch sein wür -de.
    Als sie die Pforte der Grabeskirche schon erreicht hatte, wandte sich Shulamith Gur noch einmal um und rief: »In einer Stunde also, Mister ...?«
    Der Mann in den Schatten lächelte verzeihungsheischend. »Oh, wie unhöflich von mir, mich Ihnen nicht vorzustellen.« Er deutete eine knappe Verbeugung an. »Mein Name ist Landers«, sagte er, »Hector Landers.«
    * 
    Die Zahl der Menschen, die im Laufe der Jahrhunderte die Räume und Hallen der Grabeskirche durchstreift hatten, war heute nicht einmal mehr zu schätzen. Was sie empfunden hatten, schien jedoch noch immer allgegenwärtig, als habe jeder einzelne von ihnen etwas zurückgelassen, das in die Mauern, in Decken und Boden gedrungen war, um auf ewig bewahrt zu sein: Jeder Stein hier schien Demut zu atmen, Ergriffenheit und Trauer, aber auch das Gefühl kaum näher zu bestimmender Befreiung, Erlösung vielleicht in ihrer reinsten Form.
    Hätte jemand gehört oder gar gesehen, was zu dieser Stunde nun in der heiligen Stätte geschah, würde ihn etwas gänzlich anderes überkommen haben: namenloses Entsetzen, Abscheu und Ekel!
    Aber niemand war zugegen, um Zeuge des blasphemischen Aktes zu werden, und der Ort, an dem es geschah, lag zudem so verborgen, daß kein Pilger ihn je gesehen hatte und sehen würde. Ein schwaches Echo dessen, was da tief im Hügel Golgatha vorging, wehte aber durch die Grabeskirche, als sängen Geister in schauerlichem Chor .
    In Landrus Ohren indes war es wirkliche Musik, was er Shulamith Gur an Tönen entlockte, ja, gleichsam austrieb!
    Nachdem die Grabeskirche für Besucher geschlossen worden war, hatte er sich von der schönen Führerin in die geheimen Tiefen des Bauwerks geleiten lassen. Freilich hätte er den Weg hier herab auch alleine gefunden, und keine Pforte wäre ihm verschlossen geblieben. In

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