Tod Eines Mäzens
meiner Einschätzung der Haltung ihres Vaters nicht widersprach.
Ich saugte an meinen Zähnen. »Na ja, zwischen Ihnen und Chrysippus bestand ein Altersunterschied von dreißig Jahren.«
Sie grinste – nicht freundlich, sondern boshaft. Interessant.
»Alle anderen denken, Sie seien eine Intrigantin, die ihn Lysa weggeschnappt hat.«
»Alle anderen? Was denken Sie?«, wollte sie wissen.
»Dass es eine abgekartete Sache war. Sie hatten ursprünglich vermutlich wenig damit zu tun. Was nicht heißt, dass Sie dagegen waren. Jedes vernünftige Mädchen würde einen derart reichen Ehemann nehmen.«
»Wie können Sie so etwas Scheußliches sagen!«
»Ja, es ist scheußlich, nicht wahr? Chrysippus hat Ihrer Familie wahrscheinlich eine ansehnliche Summe bezahlt, um Sie zu bekommen; als Gegengabe erhielt er die Verbindung zu einer guten Familie. Sein verbesserter Status war dazu gedacht, seinem Sohn Diomedes zu helfen. Und weil Chrysippus Ihrem Vater so viel für die Ehe mit Ihnen bezahlt hatte …«
»Sie lassen es so klingen, als ob er mich gekauft hätte!«, kreischte sie.
»Stimmt.« Ich blieb gelassen. »Weil der Preis so hoch war, entband dieser Handel Chrysippus davon, Ihnen in seinem Testament allzu viel zu hinterlassen. Nur das Skriptorium, das nicht besonders gut läuft, und noch nicht mal das daran anschließende Haus. Ich wage zu behaupten, dass andere Vereinbarungen getroffen worden wären, wenn es Kinder gegeben hätte. Er muss Kinder gewollt haben, um die Verbindung mit Ihrer Familie zu festigen.«
»Wir waren uns als Paar treu ergeben«, wiederholte Vibia und kam mir mit derselben falsch klingenden Behauptung, die sie schon am Todestag den Vigiles und mir aufgetischt hatte.
Ich musterte ihre schlanke Figur, wie wir es bei der ersten Vernehmung getan hatten. »Kein Glück mit einer Schwangerschaft? Juno Matrona! Ich hoffe, niemand hat hier mit der Natur herumgepfuscht?«
»Das hab ich nicht verdient!«
»Nur Sie können die Wahrheit dieser hübschen Beteuerung beurteilen …« Da ich weiterhin so offen beleidigend blieb, verstummte sie. »Ergeben oder nicht, Sie können es nicht genossen haben, wie ein Fass gesalzenes Fleisch gekauft worden zu sein. So behandelte Chrysippus seine Autoren, aber eine Frau zieht es vor, wegen ihrer Persönlichkeit geschätzt zu werden. Ich glaube, Sie waren sich bewusst, oder wurden es mit der Zeit, aus welchem Grund die Chrysippi – alle einschließlich Lysa im Interesse ihres geliebten Sohnes – diese Ehe gewollt hatten.«
Vibia stritt es nicht länger ab. »Eine Verbindung zum Vorteil aller Beteiligten. So was passiert dauernd.«
»Zu entdecken, dass Lysa die Sache gefördert hatte, muss trotzdem ein Schock für Sie gewesen sein. Haben Sie da einen Hass auf Ihren Mann gekriegt? Einen so starken vielleicht, dass Sie ihn loswerden wollten?«
»Es war kein Schock. Ich wusste es von Anfang an. Das war kein Grund für mich, meinen Mann umzubringen«, protestierte Vibia. »Aber Lysa bekam selbst einen Schock – Chrysippus erkannte nämlich bald, dass es ihm gefiel, mit mir verheiratet zu sein.«
»Ich wette, das hat ihr nicht gefallen. Hat sie einen Hass auf ihn gekriegt?«
»So stark, dass sie ihn umgebracht hat?«, fragte Vibia mit süßlicher Stimme. »Ach, ich weiß nicht. Was glauben Sie, Falco?«
Ich dachte nicht daran, mich auf Spekulationen einzulassen. »Gehen wir mal davon aus, dass Ihr Mann und Sie gut miteinander auskamen. Als Chrysippus unerwartet starb, mussten Sie befürchten, alles zu verlieren, was Sie hier hatten. Also haben Sie Lysa überredet, Ihnen das Haus der Familie zu überlassen. Eine Ehe, um die Ziele anderer zu erfüllen, kommt für Sie nie wieder in Frage.«
»Nein, sicher nicht.« Das war eine einfache Feststellung, leidenschaftslos getroffen. Und nicht, dachte ich, ein Mordgeständnis.
Ihre Ehe war vermutlich komplex, wie es alle Ehen sind. Unglücklich musste sie deswegen nicht gewesen sein. Vibia hatte Geld und jede Art von Unabhängigkeit besessen. Wie ich sie bei unserer ersten Begegnung eingeschätzt hatte, und wie auch Euschemon sie beschrieb, war sie eine Ehefrau, deren häusliche und gesellschaftliche Stellung erstrebenswert war. Chrysippus hatte sie angebetet und gerne mit ihr angegeben. Da Lysa nur eine Zweckehe erwartet hatte, war sie echt verärgert wegen dem, was ihr da nach so vielen Jahren angetan worden war.
»Verstanden Sie sich gut im Bett?«
»Das geht Sie nichts an.«
Vibia sah mich mit kühlem Blick an. Sie
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