Tod Eines Mäzens
wilden Vermutung. »Sagen Sie bloß nicht, Lysa hat Vibia dazu gebracht, die Ehe für Diomedes zu arrangieren, ohne zu wissen, dass Diomedes, der regelmäßig seinen Vater besuchte, dabei Vibia ins Auge gefallen war?«
Euschemon verbesserte mich nur bei einer Kleinigkeit: »Lysa weiß ganz genau, dass Vibia hinter ihm her ist.«
Wunderbar. Das entwickelte sich zu einer ausgewachsenen griechischen Tragödie.
»Und erwidert Diomedes die Zuneigung seiner Stiefmutter?«
»Skandale und Klatsch interessieren mich nicht. Ich hab keine Ahnung.«
Wenn Leute das sagen, heißt es immer, dass sie Bescheid wissen.
XXXVIII
Die Sache war zu gut, um sie ruhen zu lassen. Ich ging ins Haus zurück.
Passus war noch immer in der griechischen Bibliothek. Er hatte jetzt die Reste des am Tatort gefundenen verhedderten Papyrus in zwei Stapel sortiert, hielt aber noch ein paar zusätzliche Schriftrollen in der Hand und schaute verwirrt.
»Schon wieder da?« Der Neue hatte sich inzwischen besser an mich gewöhnt. Er zog mich auf milde Art auf, wie alte Hasen das machen. »Hör mal, Falco, ich hab ein Problem mit diesen letzten Rollen. Ich glaube, es gibt zwei verschiedene Manuskripte ohne Titel, und eines davon scheint in zwei Versionen zu existieren.«
Diesmal betrat ich den Raum. »Was hast du gefunden?«
»Na ja, ich hab rausgekriegt, dass die ganzen Rollen auf dem Boden bei der Leiche Rohentwürfe der Autoren waren. Die Handschriften sind meist unleserlich, und in einigen Manuskripten ist eine Menge durchgestrichen. Viele wurden auf die Rückseite älterer Sachen geschrieben, und bei manchen wurden Zusätze eingeklebt.«
»Sie waren nicht zum Verkauf gedacht. Chrysippus muss sich überlegt haben, welche davon er veröffentlichen wollte. Er hat sie begutachtet und dann mit den Autoren darüber gesprochen. Könnte es so gewesen sein?«
»Ja.« Passus zog seine Notiztafel zu Rate. »Ich hab auch ein paar Ablehnungen gefunden. Auf Gedichten von jemandem namens Martial stand ›Wer ist das? Nein – totaler Mist!‹ in roter Tinte. Und Constrictus – einer der Stammautoren – hatte ein Manuskript eingereicht, auf das Chrysippus geschrieben hatte ›Die üblichen Patzer. Kleine Auflage; Honorar herabsetzen.‹«
»Taugte es was?«
»Sex und Gequassel. Ich hatte keine Lust, das Zeug durchzulesen. Die Gedichte waren nichts Besonderes, und ich hab sie nur aufgelistet. Jetzt hänge ich fest. Doch was ich hier noch habe, entspricht sowieso mehr meinem Geschmack.« Er deutete auf die Rollen ohne Titel, die er immer noch zu sortieren versuchte. »Abenteuer, mit einer romantischen Geschichte, aber die Personen sind die meiste Zeit voneinander getrennt und in Schwierigkeiten, und so wird’s nicht zu kitschig.«
Ich lachte. »Dir gefallen also griechische Romane!« Passus schaute gekränkt und wurde rot. »Nein, tut mir Leid. Ich mach mich nicht über dich lustig, Passus. Ist mal was anderes, jemand Kultiviertes bei den Vigiles zu treffen. Ich sag dir was, Helena liebt diese Dinger.« Helena Justina las alles, was ihr in die Finger kam. »Ich möchte, dass diese titellosen Manuskripte voll ausgewertet werden. Wenn du das eine weiterlesen kannst, das du schon angefangen hast, dann nehme ich die anderen Schriftrollen mit nach Hause und bitte Helena, sie zu überfliegen – sie liest sehr schnell.«
Passus machte ein enttäuschtes Gesicht. Ich sagte ihm mit einem Lächeln, dass er die Rollen zum Lesen wiederhaben könne, wenn Helena damit durch sei. Das stimmte ihn fröhlicher.
»Sie könnte sich ja vielleicht die Geschichte vorknöpfen, von der es zwei Versionen gibt«, schlug er vor, rasch bereit, die unangenehmere Aufgabe abzugeben.
»Ich kann’s versuchen … Ich geh jetzt nach oben und rede mal mit der lieblichen Vibia.«
»Ich halte die Ohren offen, Falco. Wenn ich Schreie höre, weiß ich, dass du Rettung brauchst.«
»Werd nicht frech. Bleib du bei deinen Abenteuerschriftrollen. Vielleicht erfahren wir daraus ja sogar etwas Brauchbares.«
Nahe der Haupteingangstür führte eine Treppe nach oben. Sie lag hinter einem Vorhang und war mir erst aufgefallen, als ich vorhin Vibia in ihren glitzernden Sandalen hatte hochtrippeln sehen.
Niemand hielt mich auf. Ich ging ganz gemächlich, als hätte ich die Erlaubnis dazu. Selbstsicherheit kann einen weit bringen, sogar in einem fremden Haus.
Es gab mehrere kleine Räume mit Fresken, aber nicht so überladen wie die Empfangsräume im Erdgeschoss. Die meisten waren
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