Tod Eines Mäzens
Vernunft und der Kunst gewidmeten Schrein durchging.
XLIII
Nacht auf dem Aventin, meinem Lieblingshügel.
Sternenlicht und das mysteriöse, stetige Glühen der Planeten durchdringen die Wolkenfetzen. Die anhaltend hohe Augusttemperatur lässt wenig Luft zum Atmen. Schlafende liegen nackt in ihren Betten oder wälzen sich unglücklich auf zerknüllten Laken. Kaum ein Liebesschrei oder das Heulen eines Käuzchens ist zu hören. Diese wenigen kurzen Stunden, in denen ausgelassene Nachtschwärmer verstummt sind, zusammengesunken über unbeleuchteten Tischen in den übelsten Kaschemmen, allein gelassen von den Huren, die erschöpft oder voller Verachtung aufgegeben haben. Leute, die sonst nie ein Fest auslassen, sind alle an der Küste, durchdringen die Dunkelheit der Campania mit ihren Flöten, Kastagnetten und ihrer Hysterie, gönnen Rom ein wenig Frieden. Die schweren Lastkarren, die in der Abenddämmerung zu tausenden in Rom einfallen, scheinen endlich alle an ihrem Ziel angekommen zu sein.
Die Mitte der Nacht, wenn manchmal unmerklich der Regen einsetzt, stärker wird, bis der Donner kracht – aber nicht heute Nacht. Heute herrscht nur erstickende Augusthitze in diesem kurzen, leblosen Zeitraum, in dem sich nichts regt, nicht lange vor der Morgendämmerung.
Plötzlich rüttelt Helena Justina mich wach. »Marcus!«, zischt sie. Ihr Drängen reißt mich aus einem schlechten Traum, in dem mich ein riesiges fliegendes Rissole jagt und mit Fischsoße bespritzt. Ihre Furcht weckt augenblicklich meine Wachsamkeit. Ich greife nach einer Waffe, fummle dann nach einer Lichtquelle. Ich lebe seit drei Jahren mit Helena zusammen. Mir wird klar, worin die Krise besteht – kein krankes Kind, kein bellender Hund, nicht mal Gewalttätigkeiten des Abschaums vom Aventin auf der Straße. Ein hohes Surren hat ihre Ruhe gestört. Sie hat direkt über ihrem Kopf eine Mücke gehört.
Eine Stunde später, Sandale in der Hand, mit dicken Augen und wütend, habe ich den gerissenen Quälgeist von der Decke zum Fensterladen gejagt, dann in die und heimlich wieder aus den Falten eines Mantels am Türhaken. Helena verrenkt sich den Hals, sieht jetzt das verfluchte Viech in jedem Schatten und jeder Türritze. Sie haut mit der Hand auf ein Astloch in der Holztäfelung, das ich schon dreimal zu töten versucht habe.
Wir sind beide nackt. Erotisch ist das nicht. Wir sind Kumpane, verbunden durch unseren Hass auf das hinterhältige Insekt. Helena ist wie besessen, denn die Viecher sind immer nur auf ihr süßes Blut aus; Mücken fallen mit entsetzlichen Ergebnissen über sie her. Außerdem haben wir beide den Verdacht, dass sie Sommerkrankheiten in sich tragen, die unser Kind oder uns töten könnten. Das ist ein wichtiges Ritual in unserem Haus. Wir haben einen Pakt geschlossen, dass jede Mücke unser Feind ist, und gemeinsam jagen wir diese vom Bett an die Wand, bis ich sie endlich erfolgreich zerquetsche. Das Blut am Wandputz – vermutlich unseres – ist das Zeichen unseres Triumphes.
Wir fallen zusammen aufs Bett, Arme und Beine ineinander verschlungen. Unser Schweiß vermischt sich. Sofort schlafen wir ein, wissend, das wir in Sicherheit sind.
Ich schrecke hoch, bin mir sicher, ein weiteres hartnäckiges hohes Sirren über meinem Ohr gehört zu haben. Ich liege stocksteif da, während Helena weiterschläft. Immer noch in dem Glauben, nach Gefahr zu horchen, schlafe ich wieder ein und träume, dass ich Insekten in Vogelgröße jage.
Ich bin wachsam. Ich bin ein geübter Wächter, mache die Nacht für die, die ich liebe, sicher. Und doch ahne ich nichts von den Schatten, die durch den Säulengang der Wäscherei in der Brunnenpromenade huschen. Ich kann nicht hören, wie sie auf leisen Sohlen die Treppe hinaufschleichen, höre auch nicht das Krachen des monströsen Stiefels beim Auftreten der Tür.
Ich kriege es erst mit, als Marius, mein Neffe und welpenverliebter Mitbewohner, hereingelaufen kommt und brüllt, er könne wegen des Lärms im Mietshaus gegenüber nicht schlafen.
In dem Moment packe ich meinen Dolch und renne los. Sobald ich richtig wach bin, wird mir klar, wo sich der Tumult abspielt, und ich weiß – mit kalter Furcht im Herzen –, dass jemand meinen Freund Lucius Petronius angreift.
XLIV
Sein Gesicht werde ich nie vergessen.
Schwaches Licht von einer flackernden Wandlampe gab der Szene einen unheimlichen Anstrich. Petronius wurde erdrosselt. Seine Lunge musste kurz vor dem Bersten sein. Er war
Weitere Kostenlose Bücher