Tod Eines Mäzens
Gedanken verschwenden würden, von dem ich allerdings wusste, dass es riskant sein könnte – ich besuchte meine Mutter.
Ich kam nicht sehr weit mit diesem verrückten Plan. Helena Justina war mir zuvorgekommen. Als ich den Wohnblock meiner Mutter erreichte, traf ich Helena. Sie warf mir einen strengen Blick zu.
»Hast du sie auf diese Anacrites-Gerüchte angesprochen?«
»Natürlich nicht. Und sie hat auch selbst nichts dazu gesagt, Marcus. Ich hab ihr nur eine diskrete Warnung wegen der Probleme bei der Aurelianischen Bank zukommen lassen und gemeint, sie könne sich an dich wenden, wenn sie Rat brauche.«
»Dann gehe ich rein zu ihr.« Helena bedachte mich mit einem eisigen Blick. Ich blieb draußen. »Na gut. Soll ich nicht wenigstens Maia warnen? Sie ist in sehr angeschlagener Verfassung, und jemand sollte ihr beibringen, dass ihr verlässlicher ›Freund‹ vielleicht ein betrügerischer, inzestuöser Drecksack ist.«
»Lass sie ebenfalls in Ruhe.« Helena blieb standhaft.
Mein halbherziger Versuch, mit ihr zu streiten, wurde von einem der tatterigen Nachbarn meiner Mutter unterbrochen. Sie neigten alle zu Altersschwäche, und dieser alte Knabe musste an die Achtzig sein. Kahlköpfig, dürr und gekrümmt wie eine Haarnadel, obwohl er sich mit seinem Gehstock recht munter vorwärts bewegte. Helena musste ihm schon begegnet sein, denn sie begrüßten sich.
»Hallo, junge Dame. Ist das Junilla Tacitas Sohn?«, krächzte er und ergriff meine Hand, um sie zu schütteln, obwohl es in Wirklichkeit mehr ein Zittern war.
»Ja, das ist Marcus Didius.« Helena lächelte. »Marcus, das ist Aristagoras, glaube ich.«
»Stimmt. Sie hat ein gutes Gedächtnis. Wünschte, meines wär noch genauso gut. Erfreut, dich kennen zu lernen, mein Junge!« Er zupfte immer noch an meiner Hand herum. »Deine Mutter ist eine feine Frau«, teilte er mir mit – offensichtlich ein Mensch, der wenigstens nicht daran glaubte, dass Mama es mit ihrem Mieter trieb.
Es gelang uns, ihn loszuwerden, obwohl er uns nur ungern gehen lassen wollte. In dem Durcheinander brachte Helena mich von meinem ursprünglichen Vorhaben ab und nahm mich mit nach Hause. »Ich muss mit dir über diese Schriftrollen reden, Marcus.«
»Vergiss die blöden Rollen.«
»Hör auf, so kleinkariert zu sein. Ich glaube, es wird dich interessieren. Da passt was nicht zu dem, was du mir erzählt hast.«
Ich ließ mich ablenken. Die Parzen hatten mir ein deutliches Zeichen gegeben, dass heute nicht von mir verlangt wurde, meine Mutter vor Infamie zu bewahren. Anacrites musste einen gelangweilten Gott im himmlischen Pantheon bestochen haben.
Ich grummelte. Helena dachte nicht daran, sich von einem Privatschnüffler bedroht zu fühlen, der sich wie ein räudiger Bär aufführte. »Also, was ist mit diesem dämlichen griechischen Roman, Schatz?«
»Ich dachte, du hättest gesagt, Passus sei von dem, was er las, gefesselt gewesen?«
»Er konnte sich kaum davon losreißen.« Außer als er die Chance witterte, mich in Vibias Fängen in Verlegenheit zu bringen …
Das behielt ich aber lieber für mich.
»Tja, Marcus, dann muss das, was du mir gegeben hast, etwas anderes sein. Es ist ziemlich schrecklich.«
»Ah ja. Passus lässt sich also zu leicht beeindrucken?«
Helena klang zweifelnd. »Der Geschmack der Menschen ist unterschiedlich, was Inhalt oder Schreibstil angeht. Aber ich glaube, er muss die Geschichte eines anderen Autors lesen.«
»Na ja, manche Menschen mühen sich durch alles durch … Passus ist neu bei den Vigiles. Ich kenne ihn noch nicht gut genug, um seinen Lesegeschmack beurteilen zu können. Aber er wirkt auf mich ganz vernünftig. Mag Abenteuergeschichten, wie er sagt. Wo viel passiert und sich das Liebesgesülze im Rahmen hält. Ist das dir vielleicht zu maskulin?«
»Damit komm ich schon zurecht. Außerdem haben all diese Geschichten eine sehr romantische Ansicht vom Leben …« Helena hielt inne. Sie neckte mich gerne, wenn ich ihr zu ernst war. »Nein, vielleicht ist Romantik eher maskulin. Männer sind es, die träumen, sich nach perfekten Frauen und idealen Liebesaffären sehnen. Frauen kennen das Gegenteil, nämlich, dass das Leben rau ist und es meist darum geht, den Dreck wegzuräumen, den Männer gemacht haben.«
»Jetzt klingst du wie Mama.«
Wie sie beabsichtigt hatte, war es ihr gelungen, mein Interesse zu wecken. Es war später Nachmittag, und wir schlenderten gemächlich unseres Weges. Die Hitze hatte nachgelassen, als die
Weitere Kostenlose Bücher