Tod Eines Mäzens
als Gruppe über ihr aufragen.
»Wir bedauern Ihren Verlust.« Ich suchte im Gesicht der Dame nach Anzeichen echter Trauer, was sie wusste. Sie sah bleich aus. Die mit Khol umrandeten Augen waren sauber und unverschmiert. Falls sie geweint hatte, waren ihre Tränen behutsam und gekonnt abgetupft worden. Gut, sie hatte sicherlich Dienerinnen zur Verfügung, die nur darauf zu achten hatten, dass sie präsentabel aussah, auch unter den momentanen Umständen. Ihr gelang ein Wehklagen. »Es ist entsetzlich! Einfach entsetzlich …«
»Kopf hoch, Schätzchen«, besänftigte Passus. Er war grober als Fusculus. Sie schaute verärgert, aber Frauen, die einen Hauch Fischmarkt an sich haben und sich trotzdem so teuer aufdonnern, müssen sich nicht wundern, wenn sie herablassend behandelt werden.
Ich wandte mich wie ein freundlicher Onkel an sie, obwohl ich für eine Nichte wie diese jede Verantwortung abgelehnt hätte. »Verzeihen Sie mir, dass ich Sie damit behelligen muss, aber wenn wir den Mörder Ihres armen Mannes erwischen sollen, müssen wir alle Vorgänge des heutigen Tages hier im Haus in Erfahrung bringen.« Am glitzernden Saum ihres bauschigen Rockes, an den schmalen Riemen ihrer weißen Ledersandalen und an den sauber manikürten Zehen, die zwischen den Riemchen hervorragten, waren Blut- und Ölflecken zu sehen. »Sie sind sicherlich zu der Leiche hineingelaufen, als Alarm gegeben wurde?« Ich ließ sie merken, dass ich ihre Füße auf Beweise überprüfte. Instinktiv zog sie sie unter das Kleid zurück. Eine sittsame Geste. Aus Verlegenheit vielleicht, weil sie nicht mehr ganz sauber waren.
»Ja«, erwiderte sie, obwohl ich für einen kurzen Moment das Gefühl hatte, als müsste sie darüber nachdenken.
»Was Sie da vorfanden, war sicher ein schrecklicher Schock für Sie. Es tut mir Leid, Sie daran erinnern zu müssen, aber ich muss genau wissen, was als Nächstes geschehen ist. Sie sagten, Sie seien schreiend auf die Straße gerannt – war das direkt nachdem Sie entdeckten, was passiert war?«
Vibia sah zu mir hoch. »Glauben Sie, ich hab mich erst mal hingesetzt und mir die Nägel poliert?«
Ihr Ton blieb ziemlich ruhig. Man konnte unmöglich sagen, ob es eine direkte, sarkastische Reaktion einer durch die Bürokratie genervten Frau war oder die Art kampfbereiter Erwiderung, wie ich sie schon bei Verbrechern zu ihrer Verteidigung erlebt hatte.
»Warum sind Sie nach draußen gerannt?«, fuhr ich geduldig fort.
»Ich dachte, der Mörder meines Mannes könnte noch hier im Haus sein. Ich bin rausgerannt und habe immer wieder um Hilfe gerufen.«
»Entschuldigen Sie, aber Sie haben hier eine ziemlich große Dienstbotenschaft. Haben Sie denn nicht darauf vertraut, dass die sie beschützt?« Vielleicht war sie unbeliebt bei den Haussklaven.
Einen Atemzug lang zögerte sie mit der Antwort. Und selbst dann wich sie der Frage aus. »Ich wollte nur von dem schrecklichen Anblick weg.«
»Ich muss das fragen – ist Ihnen in den Sinn gekommen, dass es einer der Sklaven gewesen sein könnte?«
»Mir ist nichts in den Sinn gekommen. Ich habe nicht nachgedacht.«
»Oh, durchaus verständlich«, versicherte ich ihr freundlich. Zumindest war das mal eine Abwechslung zu dem üblichen Szenario, bei dem eine schuldige Ehefrau einen Sklaven der Tat bezichtigt, um selbst davonzukommen. »Darf ich Sie wohl fragen, was Sie heute Morgen gemacht haben?«
»Ich war mit meinen Zofen zusammen.«
Und einem Spiegel. Und jeder Menge Glastiegel mit Puder. Es musste Zeit gekostet haben, allein die Schmucksammlung zu vervollständigen, unter der ein klirrendes Band mit goldenen Halbmonden hervorstach, dazu derart schwere, mit Edelsteinen besetzte Ohrringe, dass sie eine Qual für die Ohrläppchen sein mussten. An diesen Ohren wollte man nicht knabbern. Man konnte ein Auge verlieren, wenn die Gnädigste den Kopf zurückwarf und einer der tonnenschweren Klunker einen unerwartet traf.
»Wo ist dein Zimmer, Puppe?«, knurrte Passus.
»Im ersten Stock.«
»Neben dem deines Mannes?«, meinte er zudringlich.
Vibia sah ihm direkt in die Augen. »Wir sind uns treu ergeben«, erinnerte sie ihn.
»Oh, natürlich.« Passus tat, als wollte er sich entschuldigen, behielt jedoch den beleidigenden Ton bei. »Aber wir kriegen bei den Vigiles schreckliche Dinge zu sehen. In manchen Häusern, in die wir kommen, sehe ich als Erstes nach, ob nicht, während der Ehemann in seiner griechischen Bibliothek am Kritzeln war, ein Liebhaber über die
Weitere Kostenlose Bücher