Tod Eines Mäzens
lesen. Einer der merkwürdigen Zufälle des Lebens – Autoren, die einem als Menschen gefallen, erkennen irgendwie nicht, wo ihre Stärke liegt, bestehen aber darauf, eine Schriftrolle nach der anderen mit absolut ödem Gelaber zu füllen.
Inzwischen war es früher Abend. Rom schimmerte nach einem langen heißen Tag. Die Menschen wurden wieder lebendig, nachdem sie sich völlig ausgelaugt gefühlt hatten. Rauch aus den Schornsteinen der Thermen vermischte sich mit den Gerüchen der Herdfeuer zu einem feinen Dunst. Flötistinnen übten. Männer in Ladeneingängen begrüßten einander mit einem Grinsen, das darauf hindeutete, dass sie was ausgefressen hatten – oder es für später planten. Frauen schrien in den höher gelegenen Räumen Kinder an. Wirklich alte Frauen, die keine Kinder mehr zum Rumkommandieren hatten, standen an ihren Fenstern und beobachteten die Männer, die nichts Gutes im Schilde führten.
Ich hatte das Ende des Clivus Publicus allein erreicht. Helena war zu Maia gegangen, um Julia abzuholen. Wir hatten uns einander so nahe gefühlt, dass wir uns nicht trennen wollten. Aber die Arbeit rief.
Jetzt war ich in ruhiger Stimmung. Nachdem ich nun schon seit Jahren ein und dieselbe Frau liebte, hatte ich die Panik überwunden, von ihr zurückgewiesen zu werden, und war auch über das hektische Stadium der Eroberung hinaus. Helena Justina war die Frau, deren Liebe mich immer noch ergriff. Danach besuchte ich ein Badehaus, in dem mich niemand kannte, weil ich keine Lust hatte, mich zu unterhalten. Eine Unterhaltung mit Chrysippus’ Lohnschreibern war zwar auch nicht das, worauf ich scharf war, aber es musste getan werden.
Daher war es eine angenehme Überraschung, dass der Nächste sich die Mühe machte, aufzutauchen, und mir auch noch zusagte.
Constrictus war älter als die drei, die ich schon kannte, mindestens Ende fünfzig. Trotzdem sah er flott und munter aus – frischer, als ich nach Scrutators Behauptung, der Mann würde zu tief in die Amphore schauen, erwartet hatte. Natürlich hatte der großspurige Scrutator mit seinem Fundus zweideutiger Geschichten Spuren eigener Ausschweifungen gezeigt.
»Kommen Sie herein.« Ich beschloss, mich nicht darüber zu beschweren, dass er bereits am Vormittag hätte erscheinen sollen. »Ich bin Falco, wie Sie sicher schon wissen.« Falls Turius und die beiden anderen ihn gewarnt hatten, ich sei schauerlich im Umgang, verbarg er sein Entsetzen tapfer. »Sie sind der Epiker?«
»Oh, nicht nur Epen. Ich versuche mich an allem.«
»Promiskuitiv, was?«
»Um mit dem Schreiben Geld zu verdienen, muss man alles verkaufen, was geht.«
»Was ist mit dem Schreiben aus eigener Erfahrung passiert?«
»Pure Selbstbefriedigung.«
»Tja, mir wurde gesagt, dass große historische Tableaus Ihr eigentliches Genre sind.«
»Zu abgedroschen. Kein unangezapftes Quellenmaterial mehr übrig«, stöhnte er. Das war mir bereits als Problem bei Rutilius Gallicus und seinen heroischen Banalitäten aufgefallen. »Und ehrlich gesagt«, vertraute Constrictus mir an, »muss ich kotzen, wenn ich ständig herausposaune, dass unsere Vorfahren perfekte Schweine in einem makellosen Stall waren. Sie waren genauso faule Scheißer wie wir.« Er sah mich ernst an. »Was ich wirklich schreiben möchte, sind Liebesgedichte.«
»War das ein Streitpunkt mit Chrysippus?«
»Eigentlich nicht. Er hätte liebend gern den neuen Catull entdeckt. Das Problem ist nur, Falco, die passende Frau zu finden, an die man die Gedichte richtet. Entweder ist es eine Prostituierte – und wer will sich schon mit hilfloser Vernarrtheit in eine dieser heutigen Dämchen herumquälen? Prostituierte sind nicht mehr das, was sie mal waren. Nie würde man eine moderne Version der süßen Ipsiphyle finden.«
»Die Huren sind genauso heruntergekommen wie die Helden?«, meinte ich mitfühlend. »Klingt wie ein gutes Lamento!«
»Oder man hat die Alternative, einer hoch stehenden, wunderbar amoralischen Hexe zu verfallen, die Skandale anzieht und gefährliche, einflussreiche Verwandte hat.«
»Clodia ist schon lange tot.« Catulls berühmte hochgeborene Vettel mit dem toten Sperling als Schoßtier war der Skandal einer anderen Generation. »Was auch besser so ist, wie manche sagen würden. Mit besonderem Dank, dass Rom von ihrem Bruder befreit wurde, diesem reichen Banditen. Sind heutige Senatorenfamilien zu feinsinnig, um so ein schlimmes Mädchen hervorzubringen?«
»Jupiter, ja!«, lamentierte der Dichter.
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