Tod Eines Mäzens
Popularität Respekt vor ihm bekommt – vorzugeben, Chrysippus sei ein Mann mit ausgezeichnetem Geschmack und edlen Absichten, der kommende römische Weltveränderer.«
»Außerdem sollte er behaupten, dass Chrysippus wunderbare Festmahle gibt«, fügte Maia hinzu.
»Und Turius lehnte es dummerweise ab, diese Dinge zu sagen?«
Helena erwiderte mit großem Behagen: »Laut Pacuvius – der natürlich wegen der theatralischen Wirkung gelogen haben kann – ist Turius noch weit darüber hinausgegangen. Er hat öffentlich verkündet, dass Chrysippus ein betrügerischer ausländischer Weiberheld sei, der sogar Homers Manuskript abgelehnt hätte, weil ein Blinder eine Zumutung bei öffentlichen Lesungen wäre und einen teuren Amansuensis zum Aufnehmen des Diktats gebraucht hätte.«
»Eine Fehde! Super!« Ich brüllte vor Lachen.
Helenas Augen, braun und strahlend, suchten die meinen, freuten sich an meinem Entzücken über ihre Geschichte. »Außerdem – immer noch laut Pacuvius, den das regelrecht zu verzücken schien – habe Turius wütend behauptet, Chrysippus fehle es dermaßen an kritischer Einschätzung, dass er verlangt habe, Helena von Troja ständig nackt durch die Ilias sausen zu lassen, die Liebe zwischen Achilles und Patrokles zu zensieren, damit ihn die Ädilen nicht wegen Ärgernis erregender Unmoral ins Exil schickten, und bei der Odyssee die herzzerreißende Todesszene von Odysseus’ Hund als reine Zeilenschinderei zu streichen.«
Wir zuckten alle zusammen.
Mit einem scharfen Messer zerteilte ich für uns drei eine kleine Wurst. »Wusste Chrysippus, dass sich Turius so abfällig über ihn geäußert hatte?«
»Das scheinen sie alle zu glauben.«
»Toll! Gab es eine Auseinandersetzung? Irgendwelche Andeutungen von Gewalt?«
»Nein. Alle scheinen zu meinen, dass Turius noch nicht mal die Kraft aufbringt, sich die Nase zu putzen, trotz seines Schnupfens.«
»Ja, aber Chrysippus muss doch unglaublich sauer gewesen sein – vielleicht hat er eine Prügelei begonnen.« Und Turius wäre wahrscheinlich feige weggerannt. »Und was hält Pacuvius von Turius und seinen flotten Ansichten?«
»Wässrige Zustimmung, aber er hält sich eher bedeckt. Als Satiriker ist er ein Heuchler.«
»Sind sie das nicht alle? Habt ihr sonst noch was rausgefunden?«
»Eigentlich nicht«, erwiderte Helena leichthin. Was bedeutete, dass da noch mehr war. »Der Epiker guckt zu oft und zu tief in die Amphore, und man munkelt, dass der Dramatiker seine Stücke nicht selbst schreibt.«
Ich schüttelte grinsend den Kopf. »Damit kann man allerdings kaum etwas anfangen.«
XXIV
Da baute sich ja ein hübsches Bild aus Eifersüchteleien und Gezänk auf. Ich mochte schon immer Fälle, bei denen es von wutschäumenden Verdächtigen wimmelt; ich erlaubte mir, mein Mittagsmahl zu genießen.
Als sich das Gespräch Familiendingen zuwandte, erzählte mir Maia, dass sie bei Papa gewesen sei. Obwohl sie sich über die Situation im Lagerhaus informiert hatte, war sie nicht so weit gegangen, Papa direkte Hilfe anzubieten. »Tut ihr das. Ihr beide kennt ihn besser als ich. Außerdem wollt ihr ja, dass ich das mache …«
Alles Ausflüchte. Helena und ich gingen sofort nach dem Essen mit ihr zu den Saepta Julia zurück.
Wir fanden meinen Vater stirnrunzelnd über einen Stapel gebeugt, der offenbar aus Rechnungen bestand. Geminus war durchaus in der Lage, seinen Finanzkram zu regeln; er war gerissen und konnte hervorragend rechnen. Sobald er für Julia einen Korb mit alten Töpfen und Knäufen gefunden hatte, um sie zu beschäftigen, sprach ich ihn offen darauf an, dass er anscheinend den Willen verloren hatte, seine Bücher auf dem Laufenden zu halten, und meiner Schwester einen Gefallen tun würde, sie – gegen Bezahlung – zu seiner Sekretärin zu machen.
»Da ist nicht viel dran«, wiegelte Papa ab, versuchte das Gehalt niedrig zu halten. »Man muss sich nicht täglich darum kümmern …«
»Ich dachte, alle Geschäfte müssten in einem Tagesjournal eingetragen werden«, sagte ich.
»Was nicht heißt, dass man das noch am selben Tag machen muss.« Papa schaute mich an, als hätte ich sie nicht alle. »Schreibst du deine Ausgaben in dem Moment auf, wo du einem Zeugen eine Bestechungssumme zahlst?«
»Selbstverständlich. Ich bin ein methodischer Berater.«
»Red keinen Stuss. Außerdem, mein Sohn, nur weil ich, wenn es verlangt wird, ein sauber und unschuldig aussehendes Journal vorlegen kann, muss das nicht heißen,
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