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Tod eines Mathematikers

Tod eines Mathematikers

Titel: Tod eines Mathematikers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Herrnkind / Walter K. Ludwig
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trauen. Auf der Pritsche stand ein Tablett mit Frühstück. Eine Thermoskanne, Brötchen, Käse, Marmelade. Der Mann schenkte mir ein. Aha, er wollte, dass ich ihn, trotz allem, was er mir hier antat, nett fand. Eine Beziehung aufbauen. Das musste ich ausnutzen. »Ich danke dir.« Ich bemühte mich, möglichst freundlich zu klingen, obwohl es mir schwerfiel. Siegen durch Nachgeben. Wie beim Kampfsport. Ich musste diesen Typen duzen, Nähe schaffen. Ich trank von dem Kaffee. Er war stark und so heiß, dass ich mir die Zungenspitze verbrühte. Doch ich verzog keine Miene, nahm mir eins von den Brötchen, die der Typ in einen Korb gelegt hatte, so als wäre ich seine Geliebte. Sie waren frisch, aufgeschnitten und schon mit Butter bestrichen. Mit zittrigen Fingern legte ich eine Scheibe Käse auf das Brötchen. Begann langsam zu essen. Es kostete mich unendliche Anstrengung, den Bissen herunterzuwürgen. Der Mann sah mir zu, während er die Klinge des Messers, das er in der rechten Hand hielt, leicht gegen die Handfläche seiner linken schlug, als wolle er sagen: Wenn du nicht spurst …
    *
    »Willst’n Bier?«, fragte Harry.
    »Ehrlich gesagt, wäre mir ein Whisky fast lieber«, antwortete Matze. »Kein Problem. In einer gut sortierten Hausbar …« Harry holte eine Flasche feinen Whiskysaus seiner Minibar.
    »Alter Schwede, du lässt dich aber nicht lumpen!«
    »Ach was«, winkte Harry ab. »Die Flasche habe ich einem Kollegen abgekauft, der damit gehökert hat. Inzwischen ist es damit allerdings vorbei, der Whisky war Hehlerware, was der Kollege angeblich nicht gewusst haben will. Unverzollter Stoff. Aber egal, schmeckt trotzdem.« Harry schenkte Matze ein, nahm sich selbst ein kühles Bier und setzte sich zu seinem Kumpel an den Esstisch. Er schob das Schachspiel zur Seite. An der Wand über dem Tisch hatte Harry den Stadtplan von Bremen aufgehängt. Bunte Nadelköpfe markierten, wo die Frauen gewohnt hatten und wo sie verschwunden waren.
    Sie stießen an. »Hoffen wir, dass Alexandra wohlbehalten zurückkommt. Und dass wir nur Gespenster gesehen haben. Vielleicht brauchte sie Ruhe nach all dem, was passiert ist, hat sich einen Kurzurlaub gegönnt und nicht genug Katzenfutter dagelassen«, sagte Harry, obwohl er selbst nicht dran glaubte.
    Matze schwieg, trank einen großen Schluck Whisky.
    »Ich weiß übrigens, warum sich Simon Schröder umgebracht hat.«
    »Echt?«, Matze war überrascht. Er wusste, dass Alexandra die halbe Polizeibehörde abtelefoniert hatte, um an Infos zu kommen, und kläglich gescheitert war. Niemand, nicht mal ihre treuesten Informanten, hatten ihr auch nur ein Sterbenswörtchen verraten.
    »Kollege Blum hat es mir erzählt. Unter dem Siegel strengster Verschwiegenheit.«
    »Erzähl schon«, drängelte Matze.
    »Also, Schröder hatte ein Ermittlungsverfahren wegen Erpressung am Hals.«
    Matze knallte sein Glas auf den Tisch. »Du spinnst!«
    »Es stimmt leider. Schröder war spielsüchtig, brauchte dauernd Geld. All seine Konten waren bis zum Anschlag überzogen. Er hatte mehrere Kredite am Laufen. Tja, und dann hat er fünfzigtausend Euro von einem Unternehmer verlangt, über den er brisante Informationen recherchiert hatte. Für das Geld wollte er auf eine Veröffentlichung verzichten.«
    »Das glaub ich nicht.« Matze war geschockt.
    »Der Unternehmer hat sich aber nicht erpressen lassen und hat stattdessen sich selbst und Schröder bei der Polizei angezeigt.«
    »Wer ist der Unternehmer und was hatte Schröder gegen ihn in der Hand?«, wollte Matze wissen.
    Harry schüttelte den Kopf. »Kein Kommentar. Das sage ich dir nicht. Blum reißt mir bei lebendigem Leibe die Eingeweide raus, wenn ich das ausplaudere. Aber du kannst dich darauf verlassen, dass ich dir keinen Stuss erzähle. Nachdem der Unternehmer Anzeige erstattet hatte, bat er Schröder zum Schein um ein Gespräch, in dem die Zahlungsmodalitäten geklärt werden sollten. Was Schröder nicht ahnte: Die Kollegen hörten mit. Deinem Chef drohten fünf Jahre Haft. Seine ganze Existenz wäre ruiniert gewesen. Er hätte seinen Job verloren, sicher hätte die bundesdeutsche Presse berichtet. Aber das war nicht der Grund dafür, warum in der Behörde absolutes Stillschweigen vereinbart worden ist. Selbstmord ist Privatsache und wird von der Polizei sowieso nicht kommentiert. Außerdem wollte man Schröders alte Mutter nicht noch mehr belasten. Sie glaubt noch heute, Schröder sei nicht über den Tod seiner Cousine Nicole

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