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Tod eines Mathematikers

Tod eines Mathematikers

Titel: Tod eines Mathematikers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Herrnkind / Walter K. Ludwig
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im Schritt ausgebeult war. Ich setzte mich auf die Pritsche, hielt ihm die Füße hin. Meine Zehennägel hatte ich am Vorabend grünmetallic lackiert.
    Der Typ zögerte einen Moment. Doch dann holte er tatsächlich mit der linken Hand den Schlüssel aus seiner Hosentasche, während er in der rechten noch immer das Messer hielt. Ohne seinen Blick von mir zu lassen, schloss er die Fußfesseln mit einer Hand auf. Ich hätte ihm ins Gesicht treten können, aber das wäre unklug gewesen. Ich war barfuß. Und der Typ hatte mir wahrscheinlich sofort das Messer in den Bauch gerammt.
    Geschmeidig wie ein Raubkätzchen glitt ich von der Pritsche, ging zwei Schritte zum Sessel, nahm das Negligé und hielt es hoch. Ein billiger Nuttenfummel aus rotem Tüll und Satin.
    »Das ist wirklich sehr hübsch, Schatz«, schnurrte ich.
    Mein Entführer brummte.
    Geile Drecksau. Die Wut, die sich in mir aufbäumte, half mir gegen die Angst.
    Ich legte das Negligé zurück auf den Sessel und zog mir langsam die Hose runter, was mich eine enorme Überwindung kostete. Aber hier ging es nicht um Scham, sondern um psychologische Kriegsführung. Ich stand nun nackt vor diesem fremden, maskierten Mann, wagte nicht, ihn anzusehen. Meine Beine fingen wieder an zu zittern. Aufhören, flüsterte ich ihnen im Geiste zu. Sofort aufhören. Gefühle abschalten. Angst, Scham. Aus, alles aus, aus, aus, aus.
    »Gefalle ich dir?«, hörte ich mich sagen, während ich mir mit meinen rotlackierten Fingernägeln lasziv über die Brüste strich.
    Der schwarze Mann stöhnte, wollte vom Hocker aufstehen. »Einen Moment noch, Liebling.« Panisch hob ich beide Hände. »Ich muss mich noch hübsch für dich machen.« Tatsächlich wich der schwarze Mann zurück, setzte sich wieder. Mit zittrigen Fingern nahm ich den Slip, er war aus roter Spitze, und schlüpfte hinein. Ein Stringtanga, so ein unbequemes Nuttenteil. Dann zog ich den roten Spitzen-BH über, schaffte es, obwohl meine Finger zitterten, ihn hinten alleine zu schließen. In Unterwäsche fühlte ich mich schon viel wohler. Ich sah meinen Entführer an, leckte mir die Lippen, wie eine Nutte, die ihren Freier anmachen wollte. Wie ich diesen Mann hasste. Dann nahm ich einen der Netzstrümpfe, stieg hinein, rollte ihn langsam mein Bein hoch. Dabei warf ich dem Typen einen schmachtenden Blick zu. Ich war Schauspielerin und dies war, im wahrsten Sinne des Wortes, die Rolle meines Lebens.
    Wieder grunzte der Typ wie ein Schwein. Meine kleine Show gefiel ihm offenbar.
    Und dann die Strapse. Ich hatte so was noch nie angehabt. Ein Gürtel mit langen Schnüren. Gott, wie albern. Was Weiber sich antaten. Eine ziemliche Fummelarbeit, bis das Ding saß und die Strümpfe daran befestigt waren. Selten war ich mir so mies vorgekommen. So lächerlich. Dann schlüpfte ich in diese ordinären Lackdinger. Es war mir schleierhaft, wie Frauen es schafften, darauf zu laufen. Aber diese Schuhe hatten einen positiven Nebeneffekt: Ich war groß. Und fühlte mich auch so. Mit unsicheren Schritten bewegte ich mich auf den schwarzen Mann zu. »Na, Liebling, gefalle ich dir?« Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Der Typ antwortete nicht, saß auf seinem Hocker. In der rechten Hand hielt er noch immer das Messer. Sein Atem rasselte durch die schwarze Skimütze. Ich zählte im Geiste bis drei. Es musste jetzt ganz schnell gehen. Ich stand nun direkt vor ihm, sah in seine dunklen Augenhöhlen.
    »Autsch, ich bin umgeknickt«, schrie ich, riss mir den Schuh vom Fuß, rammte ihn dem Typen mit einem gezielten Hieb ins Auge. Blut spitzte. Stöhnend sackte das Schwein vom Hocker, schlug mit dem Kopf auf den Betonboden. Dabei glitt ihm das Messer aus der Hand. Es klirrte leise. Der schwarze Mann war bewusstlos. Ich schnappte mir die Waffe, durchwühlte seine Hosentaschen und zog den Schlüsselbund heraus. Ich schleuderte den anderen Schuh vom Fuß, stürzte zur Tür. Mit zittrigen Fingern versuchte ich, einen der Schlüssel ins Schloss zu stecken. Verdammt. Er passte nicht. Nächster Versuch. Das Metall glitt durch meine schweißnassen Finger. Wieder wollte der Schlüssel nicht ins Schloss. Mist, wenn jetzt kein Schlüssel passte … In der Rechten hielt ich noch immer das Messer, mit der Linken versuchte ich, die Tür aufzuschließen. Der dritte Schlüssel glitt ins Schloss. Endlich. Plötzlich. Hinter mir ein Schnaufen. Der schwarze Mann hatte sich aufgerappelt, fuhr mir mit der Hand ins Haar. Ein stechender Schmerz durchzuckte meine

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