Tod eines Mathematikers
hast«, raunte Matze.
»Na ja, dafür muss ich mir diese Woche die Nächte um die Ohren schlagen«, maulte Harry. Kossek hatte ursprünglich vorgeschlagen, beim Hausmeister vorstellig zu werden, aber das war Matze zu unsicher gewesen. Erstens wusste er nicht, wie der Hausmeister hieß. Zweitens war nicht sicher, ob er zu Hause war. Und drittens war überhaupt nicht gesagt, dass es ihnen gelungen wäre, den Hausmeister davon zu überzeugen, sie in Alexandras Wohnung zu lassen. Er setzte lieber auf Harry, vor dem kein Schloss sicher war.
Sie betraten die Wohnung und riefen nach Alexandra. Nichts regte sich. Sie sahen in allen Räumen nach. Ali war nicht da. Nichts Auffälliges. Unordentlich wie immer. Eine halb leere Pulle Rotwein vor dem Bett, ein umgekipptes Glas.
»Alles wie immer«, meldete Matze.
»Jetzt sagt bloß, ihr seid enttäuscht. Hättet ihr lieber Blut und eine verwüstete Wohnung vorgefunden?«, frotzelte Harry, der die Sorgen der beiden anderen etwas übertrieben fand.
Kossek ließ sich nicht beirren. »Denk genau nach: Ist wirklich alles wie immer?«, bedrängte er Matze.
Der zuckte mit den Schultern – dann stutzte er. »Nee, da fehlt was! Wo ist denn Hans-Günther?«
»Hans-Günther?!«, fragte Kossek eine Spur zu hastig und merkte, wie ihm heiß wurde. Hatte Alexandra etwa einen Lebensgefährten?
»Hans-Günther ist Alexandras Kater«, klärte Matze ihn auf.
»Ach so.« Kossek war erleichtert.
»Stromert vielleicht draußen herum«, vermutete Harry.
»Quatsch. Tagsüber ist Hans-Günther immer in der Wohnung«, wusste Matze, »Ali lässt ihn erst abends raus. Und kurz vor Mitternacht kommt er dann zurück.«
»Moment mal, Kater?«, überlegte Kossek.
»In der Küche da …« Er beendete den Satz nicht und ging schnellen Schrittes zurück in die Küche, die er vorher bereits inspiziert und dabei nichts Auffälliges entdeckt hatte.
Harry folgte ihm, während sich Matze auf die Suche nach dem Kater machte.
»Da!« Kossek deutete auf den Futterplatz. »Ein leerer Fressnapf und eine leere Trinkschale. Alexandra würde doch nie aus dem Haus gehen und ihren Kater unversorgt lassen, oder?«
»Vielleicht hat sie das Vieh mitgenommen, weil sie einen dringenden Termin beim Tierarzt hatte. Wahrscheinlich ist das überhaupt die Erklärung für das Ganze«, mutmaßte Harry. »Womöglich kommt sie jetzt gleich zurück mit Hans-Günther im Korb, der plötzlich krank geworden ist, und macht uns ’ne Riesenszene, weil wir in ihre Wohnung eingebrochen sind.«
»Ausgeschlossen«, widersprach Matze, »Ali hätte mich dann zumindest angerufen und wäre auch jetzt über Handy erreichbar.« Er ging durchs Wohnzimmer und rief: »Hans-Günther, Hans-Günther.«
»Miau«, antwortete es unter dem Sofa. Langsam kroch der Kater aus seinem Versteck hervor und ließ sich von Matze auf den Arm nehmen.
»Wir müssen ihm sofort was zu fressen und zu trinken geben«, bestimmte Kossek, »der hat heute sicher noch nichts gehabt, vielleicht sogar noch länger, und es ist bereits früher Nachmittag.«
»Die Angst vor drei fremden Männern war offenbar noch stärker, als Hunger und Durst«, sagte Matze gerührt, »sonst wäre der Kater doch gleich auf uns zugestürzt. Hans-Günther ist eigentlich zutraulich. Hier ist wirklich was faul.«
Harry schnappte sich den Trinknapf, ließ ihn über der Spüle voll Wasser laufen und stellte ihn wieder an seinen Platz. Matze trug den Kater in die Küche, setzte ihn behutsam auf den Boden. Hans-Günther begann sofort, gierig zu schlecken. »Wenn wir jetzt auch noch irgendwo Katzenfutter finden würden, hätten wir heute zumindest schon mal ein Katzenleben gerettet«, meinte Kossek, während er eine Schranktür nach der anderen öffnete – ohne Erfolg. Der Kater sah ihn an, offenbar verblüfft über so viel Dummheit. Dann erhob er sich und bewegte sich demonstrativ auf die Anrichte unter der Spüle zu. Kossek verstand. Er öffnete die Tür, nahm eine angebrochene Packung Trockenfutter heraus und schüttete etwas in den Fressnapf. Sofort machte sich der Kater darüber her. Zufrieden sahen die drei Männer dem Tier zu.
»Du hast recht, Matze, hier stimmt tatsächlich was nicht. Alexandra muss etwas passiert sein. Entweder war sie die ganze Nacht nicht hier …« Kossek merkte schon wieder, wie ihm heiß wurde. Herrje, was war bloß mit ihm los?
»Tja, vielleicht hat sie bei irgendeinem Typen übernachtet«, stichelte Matze, dem Kosseks Verhalten plötzlich verdächtig vorkam.
Weitere Kostenlose Bücher