Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod für Don Juan

Tod für Don Juan

Titel: Tod für Don Juan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
jünger als seine
Frau, legte die Hand kurz auf ihren nylonbestrumpften linken Fuß, dessen
Zehengelenke durch jahrelange schwere Arthritis deformiert waren. Wie zum Trotz
leuchteten die Nägel in grellem Scharlachrot.
    «Wenn ich bloß erst in meiner
Wanne liege!» Laura schlug das rechte über das linke Bein und massierte den
anderen Fuß. Beide Gehwerkzeuge hatten sich bis vor kurzem noch der teuersten
Fußpflege in ganz Pasadena erfreut.
    «Ist ja bald soweit!» War außer
seiner Frau sonst noch jemandem das leise Lächeln aufgefallen, das bei diesen
Worten um Eddie Strattons Lippen lag?
    Der Bus fuhr jetzt über die
Banbury Road, wo Ashenden der Kommentar inzwischen fast von selbst über die
Lippen ging: «...und beachten Sie rechts und links die hübschen Häuser aus
orangerotem Backstein, sie entstanden in den letzten beiden Jahrzehnten des
19.Jahrhunderts, als die Hochschullehrer... sehen Sie die Jahreszahl dort,
1887...»
    Unmittelbar hinter Ashenden saß
ein Mann Anfang Siebzig, pensionierter Bauingenieur aus Los Angeles, der jetzt
durchs Fenster die Läden und Büros von Summertown betrachtete: Banken,
Bausparkassen, Obstgeschäfte, Friseur, Makler, Zeitungsladen, Weinhandlung...
Fast wie zu Hause, dachte Howard Brown. Aber — im Grunde ist es ja zu
Hause...
    Die neben ihm sitzende Shirley
war die zweite Ehefrau, die ein Lächeln auf den Lippen des Ehepartners
erblickte, ein Lächeln wehmütiger Zufriedenheit, und plötzlich schlug ihr
heftig das Gewissen.
    «Howard?» flüsterte sie.
«Howard! Ich bin wirklich froh, daß wir die Tour gebucht haben. Echt.» Sie
legte ihren rechten Arm auf seinen langen Schenkel und drückte ihn leicht. «Und
es tut mir [pianissimo] wahnsinnig leid, daß ich gestern abend so gemein und
undankbar war.»
    «Schwamm drüber, Shirl. Schwamm
drüber...»
    Doch Howard Brown wäre es gar
nicht unlieb gewesen, hätte seine Frau noch eine Weile in ihrer Schmollecke
verharrt. In dieser (gar nicht so seltenen) Stimmung gewährte sie ihm den
nötigen Spielraum für die (gar nicht so seltene) Untreue in Gedanken und Taten,
die er sich nie hätte leisten können, hätte sie jetzt auch nur einen Bruchteil
der Zuneigung erkennen lassen, die sie ihm entgegengebracht hatte, als sie sich
entschlossen zu heiraten. Doch das war 1947 gewesen, vor dreiundvierzig Jahren,
damals wäre es ihr nie im Traum eingefallen, seinen Tachostand zu
kontrollieren, sich dafür zu interessieren, wo seine Privatpost abgestempelt
war, oder ihn mißtrauisch zu beschnüffeln, wenn er aus dem Büro kam.
    «...und hier [Ashenden war
mittlerweile groß in Fahrt] sehen wir Ruskins Einfluß auf die Privatarchitektur
jener Zeit. Beachten Sie dort links die neugotischen, pseudovenezianischen
Stilelemente... Und hier, wieder links, haben wir Norham Gardens, direkt
dahinter die berühmten University Parks, dort das schmiedeeiserne Tor... Die
Parks gehören zu den größten Grünanlagen der Stadt, aber sie können noch heute
jederzeit ohne Begründung von der Universitätsverwaltung geschlossen werden. Da
muß man eben rechtzeitig erkunden, wie man sich unbemerkt von den Aufsehern am
Haupteingang hereinschleichen kann.»
    «Und auch wieder herausschleichen,
Mr. Ashenden...»
    Ausnahmsweise war dieser
Einwurf der kleinen Mrs. Roscoe nicht nur treffend, sondern auch harmlos, und
die Mitreisenden belachten ihn vergnügt.
    Howard Brown hatte von diesem
Wortwechsel nichts mitbekommen. Er machte einen langen Hals, um einen Blick auf
die Pförtnerloge zu erhaschen, und dabei spürte und witterte er wie der
Maulwurf aus Wind in den Weiden sein altes Heim, und etwas lange in ihm
Verschüttetes erwachte plötzlich zu neuem Leben. Nostalgische Tränen stiegen
ihm in die Augen. Er schnaubte heftig durch die Nase, warf seiner Frau einen
raschen Seitenblick zu und sah erleichtert, daß um ihre Lippen wieder der
gewohnte Zug säuerlicher Unzufriedenheit lag. Er war so gut wie sicher, daß sie
nichts ahnte.
    Als der Bus in die St. Giles’
einbog, war der Himmel klar, eine strahlende Sonne beschien den zimtfarbenen
Stein der Häuser, die die breite, baumbestandene Straße säumten. «Wir befinden
uns auf der St. Giles’» — Ashenden schaltete in den Overdrive —, «rechts und
links in herrlich goldenen Herbstfarben leuchtende Platanen... links das St.
John’s College, gleich dahinter Balliol... Vor uns das berühmte
Märtyrerdenkmal, den Eleanorenkreuzen Eduard des Ersten nachgebildet und
geschaffen von Gilbert Scott zu Ehren der

Weitere Kostenlose Bücher