Tod im Albtal
Bundesverdienstkreuz, das sie unbedingt haben wollte. Und eine Tochter, die keine Ehre war. Deren Geburt eine verheimlichte Schande gewesen war. Eine Frau, die zwischendurch mal »dick« gewesen war. Wie konnte ich nur mein Kind der Lüge zeihen?
Diese verdammte Tochter, die mit ihrer Gefühlsduseligkeit eine Lebenslüge zerstörte. Marianne Grüber, die verzweifelt ein Kind wollte. Warum denn? Sie hatte doch schon eines.
Nein, sie hatte eben keines gehabt. Sie hatte ein eigenes gewollt. Kein untergeschobenes. Ein von ihrem virilen, gut aussehenden Mann gezeugtes und ihr untergeschobenes Kind. »Balletttänzerinnen sind keine Nonnen, was man so hört!«, vernahm ich hohl und weit weg die Stimme meines Mannes.
Eine Hand, weich, fast liebevoll, erfasste meinen Nacken, drückte mich nach unten. Erbarmungslos wie Stahl.
Ich strampelte. Kämpfte. Um mein Leben. Die Luft ging mir aus. Wurde knapp und knapper. Meine Lungen schmerzten, aber mein Kopf wurde leicht. Ganz leicht. Verzerrt durch das Wasser sah ich ihr seit vielen Jahren vertrautes Gesicht, das mich nun in den Tod begleiten würde.
Elena.
* * *
»Selbstverständlich haben wir Ihre Hinweise ernster genommen, als Sie dachten. Aber wir haben einfach abgewartet. Das war doch in Ihrem Sinne, nicht wahr?«
»Wie …?«
Ich lag im Krankenhaus, obwohl ich mich gar nicht krank fühlte. Nur komisch. Vor allem, weil sie mir ein Hemd von abstoßendem Schnitt und mieser Qualität angezogen hatten. Es war hellgrün. Eine Farbe, die nicht auf meiner Farbkarte stand! Das würde juristische Folgen haben. Auch Patienten hatten Anspruch auf modische Würde.
Hagen saß an meinem Bett. Er hingegen sah gut aus. Ein Hemd in Grau. Die Farbe passte zu seinen verdammten grauen Augen.
»In letzter Sekunde. Marlies Rubenhöfer hat uns angerufen. Janine war vollkommen durcheinander und hat nun doch alles erzählt. Sie hatte Elena Gontard tatsächlich beobachtet. Elena war die Letzte, die im ersten Stock war. Ob auf der Toilette oder nicht. Es war gegen Ende der Party. Das Kind war schon etwas schläfrig. Da Frau Gontard aber – und das war ihr Fehler – dem Hund unten ein Leckerli gegeben hatte, ist das Vieh aufgestanden und ihr nachgelaufen. Er hat sich an die Wohltat erinnert. Wie Hunde eben so sind. Janine, die ermahnt worden war, den Hund nicht unbeaufsichtigt im Haus umherlaufen zu lassen, ist ihm nach einer Weile gefolgt und hat beobachtet, wie Frau Gontard aus Friederikes Zimmer kam, die Schatulle in der Hand. Janine hätte sie normalerweise nicht gesehen, wäre es nicht wegen des Hundes gewesen.«
»Ein Hund!« Ich lachte ungläubig und richtete mich auf, doch mir wurde sofort wieder schwindelig, und ich ließ mich zurück in das Kissen fallen. »Mein Fehler. Ich war betriebsblind und habe nur nach Männern gesucht, die sich an jenem Abend im ersten Stock herumtrieben.«
»Ach ja? Sie suchen nach Männern? Sieh, das Gute liegt so nah.« Hagen nahm ein Tuch, tauchte es in eine Art Wasserschale und wischte mir über die Stirn. Es war eine zärtliche Geste.
Ich überhörte das und murmelte weiter. »Doch zumindest eine weitere Frau war ebenfalls oben. Angelika Lodemann. Sie hat sich die Bilder angesehen. Janine hat sie nicht erwähnt, denn ich hatte sie ja nur nach Männern gefragt. So hat sie mit gutem Gewissen auch Elena unterschlagen und hat sogar darauf geschworen.«
»Ein verständlicher Irrtum. Und so schwer es mir fällt, das zuzugeben, aber Sie hatten recht. Friederike hat ihre wirkliche Mutter aus der Umkleidekabine heraus angerufen und verkündet, sie sei jetzt allein. Das hatten die beiden Frauen so vereinbart. Elena hatte so getan, als plante sie eine Überraschung für sie. Ich helfe dir aussuchen, mein Kind, wird sie versprochen haben. Und dann wird diese arrogante Swentja, die sich für die Königin der Mode hält, staunen. Sag es nur niemandem. Ich komme und helfe dir. Die wird Augen machen. Stattdessen hat sie ihre Tochter erwürgt und ist durch den Hinterausgang verschwunden. Die Frau im Blumenladen hatte ebenfalls recht: Das Kleid war ausgestopft gewesen, aber nur, um die schmale Elena kräftiger erscheinen zu lassen. Es war übrigens ein überzähliges Kostüm aus dem Stück ›Kirschgarten‹ von einem Typ namens Tschechow. Nie gehört!«
»Mein Gott!«, murmelte ich aus mehreren Gründen.
»Sie hat zur Tarnung das Portemonnaie gestohlen, das herausgefallene Geld aber nicht bemerkt oder nicht gewollt. Das Handy musste sie aber unbedingt
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