Tod Im Anflug
dass du das wissen wolltest, und zweitens interessiert mich das Getue der Flügellosen nicht«, schmollte der Riffler.
»Ist ja gut. Komm, wir haben keine Zeit zu verlieren. Lass uns rübergehen.«
Tom kam unter dem Caravan hervor und watschelte rüber auf das Nachbargrundstück. Der Riffler schritt neben ihm her. Da der Wohnwagen schon lange leer stand, drohte von plötzlich auftauchenden Flügellosen keine Gefahr.
»Dort habe ich Luzie beobachtet«, sagte der Riffler und zeigte mit seinem kräftigen Schnabel auf die entsprechende Stelle unterhalb des Wagens.
Tom trat näher, schnüffelte aufgeregt Luft durch seine Nase und filterte sie mehrfach. Da war etwas in der Luft, das ihn innerlich jubeln ließ. »Also, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, hier riecht es verdammt nach Bittermandeln. Das Gift muss hier versteckt sein. Darauf verwette ich meine Schwanzfedern.« Er kroch unter den Wagen und streckte den Hals vor. Aus einer offenen Verstrebung dünstete der stärkste Bittermandelgeruch aus, den er je gerochen hatte. Ein kurzer Blick in die Öffnung. Treffer! Es handelte sich um eine durchsichtige Plastiktüte, die ein braunes Glasfläschchen enthielt.
Hierhin hatte Luzie das Beweisstück also gebracht, bevor es die SpuSi bei ihr finden konnte. Obwohl Tom wusste, wie gefährlich seine Entdeckung war, versuchte er, die Tüte aus dem Versteck zu ziehen. Ohne das Fläschchen würde man Luzie nie den Mord an Neptunus, Tiger und Alex nachweisen können. Doch Toms Schnabel war zu breit für die schmale Vierkantöffnung. Er versuchte es mehrfach, gab sich dann aber geschlagen.
»Ich krieg es nicht raus, Riffler. Kannst du es mal versuchen?«
Der Rabe ging unter den Wohnwagen und begann mit seinem Schnabel in der offenen Verstrebung herumzustochern. Doch auch er hatte trotz seiner Geschicklichkeit große Mühe, an das Corpus Delicti heranzukommen. Während Tom ihm bei seinen Bemühungen zusah, hörte er Stimmen von Flügellosen. Es waren Luzie und die beiden Kommissare, die langsam näher kamen. Instinktiv hielt er die Luft an, duckte sich wie ein Küken im Nest und spitzte die Ohren. Der Riffler stocherte unterdessen weiter.
»Wie oft soll ich es Ihnen denn noch sagen: Ich bin unschuldig. Sie können mir nichts nachweisen, weil ich einfach nichts getan habe. So einfach ist das.«
»Die neuen Indizien sprechen für sich, Frau Breetz. Uns fehlt nur noch das Beweisstück. Und das werden wir schon noch finden. Fühlen Sie sich also nicht zu sicher. Es entspricht nicht unserer Arbeitsauffassung, Mörder frei herumlaufen zu lassen«, sagte Reiners, der den Missmut in seiner Stimme nicht ganz unterdrücken konnte.
Aha, die Kommissare hatten also ebenfalls Charlies Info über Alex’ Pläne ausgewertet und die gleichen Schlüsse gezogen wie Tom. Mit Genugtuung nahm er zur Kenntnis, dass er einen Tick schneller gewesen war und seinen ganz privaten Ermittlungswettbewerb mit den beiden Flügellosen gewonnen hatte.
»Wir haben Sie im Auge, Frau Breetz«, drohte Hump. »Auch wenn wir jetzt ohne Sie gehen müssen, wir kommen wieder. Irgendwann stehen wir wieder vor Ihrer Tür, denn Mord verjährt nicht.«
»Denken Sie, meine Herren. Mir werden Sie nichts anhängen können. Da können Sie bis zum Sankt Nimmerleinstag warten.«
Nicht, wenn ich es verhindern kann
, dachte Tom und hoffte, der Riffler würde bald das Beweisstück präsentieren. Mit ein bisschen Glück würden genug Spuren darauf sein, um Luzie zu überführen. Während der Rabe weiterhin mit dem Schnabel im Vierkantrohr stocherte und sich die Kommissare vor Luzies Wohnwagen von ihr verabschiedeten, hörte Tom Balu kläffen. Sein freudiges Bellen verriet, dass er Siggi abgehängt haben musste.
»Und? Hast du es, Riffler? Hier wird es langsam ungemütlich. Ich glaube, Balu hat sich losgerissen. Wir müssen weg hier. Dringend.«
»Es ist ziemlich weit reingeschoben und steckt fest. Ich bekomme es nicht richtig zu fassen.«
Die Aussicht, noch länger bei dem Wohnwagen ausharren zu müssen, gefiel Tom gar nicht. Wenn Balu sie entdeckte, würde sich der Jagdhund eine kleine Hatz nicht entgehen lassen.
»Nun mach schon«, raunte Tom dem Riffler zu. Er rechnete jeden Moment mit Balus Auftauchen.
Und tatsächlich: Auf kurzen Beinchen, die rote Leine im Schlepp, bog Balu um die Ecke und stand sofort bellend vor dem Wohnwagen. Tom hatte seine letzte Flucht vor Balu noch in schlechter Erinnerung, diesmal würde er alles dafür tun, um den Köter zu
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