Tod Im Anflug
eingezogenem Hals umgeschaut, als befürchtete er, dass der Staatsanwalt plötzlich hinter ihm stehen könnte.
»Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß«, antwortete Reiners ganz gelassen. Auch ihm schien die Gans, die ihn so manches Mal auf Schritt und Tritt verfolgt hatte, nicht ganz geheuer zu sein.
Tom dagegen freute sich zu hören, dass er Bernd und Luzie richtig eingeschätzt hatte. Wären sie Profis oder weniger überheblich gewesen, hätten sie einen solch groben Fehler, wie ihre Fingerabdrücke auf dem Mordwerkzeug zu hinterlassen, nicht begangen. Trotzdem wunderte er sich noch einmal, dass sowohl er als auch die mordgewohnten Kommissare so lange gebraucht hatten, um Luzie als Gattenmörderin auszumachen. Gil Grissom hatte mit seiner Schlussfolgerung, dass immer der der Mörder ist, der das Opfer als Letztes gesehen hat, richtig gelegen. Und nach Auswertung aller Aussagen war das Luzie gewesen. Es war so offensichtlich gewesen, so nah, dass sie eigentlich darüber hätten stolpern müssen, und doch hatten sie es nicht getan.
Eines Nachmittags waren die Kommissare dann gekommen, um Rio und Tom aus der Klinik abzuholen und in der Nähe des Campingplatzes wieder freizulassen. Zum Abschied knisterte ausgerechnet Reiners mit einer Tüte und holte ein paar Scheiben Toastbrot hervor. Da gab es für Tom kein Halten mehr. Seit er in Behandlung war, stand er auf Entzug, war schon fast auf »turkey«. Toastbrotentzug. Rio dagegen ergriff sogleich die Flucht. Toastbrot! Igitt! Nach der Klinikkost träumte er nur noch von frischem Fisch. Selbst gefangen.
Nachdem die letzte Krume Brot zwischen Toms Schnabelhälften verschwunden war, verabschiedeten sich die Kommissare und machten sich auf den Weg zurück in die Stadt. Ihr Job auf dem Campingplatz war erledigt. Gleich darauf war Tom gestartet und hatte sich sein ruhiges Plätzchen auf dem See gesucht. In der Abgeschiedenheit wollte er die letzten Tage noch einmal Revue passieren lassen. Er hatte über vieles nachzudenken, viel war geschehen …
»Tom! Endlich habe ich dich gefunden. Ich suche dich schon seit Tagen. Klick-Klick. Du hast dich doch nicht etwa vor mir versteckt?« Heftig flügelschlagend, kam Barkas auf ihn zugehetzt, wirbelte dabei Wasser auf und hinterließ eine lange Laufspur. »Freunde! Freunde! Ich habe ihn gefunden. Tom ist hier!«, schrie er geradezu enthusiastisch über den halben See hinweg, damit auch ja keinem Gefiederten die Neuigkeit entging. Schließlich wartete man schon lange gespannt darauf, Tom endlich zu Gesicht zu bekommen.
Aus und vorbei mit Ruhe und Abgeschiedenheit, denn bald drängten sich unzählige Enten, Blässhühner, Gänse und Haubentaucher um Tom herum. Reiher schwebten lautlos ein, Schwäne kamen engelsgleich angeflogen und landeten platschend auf dem Wasser. Wie aus dem Nichts erschienen Rabenvögel und verteilten sich ohne Aufsehen in den umliegenden Baumkronen. Vielstimmig wurde geschnattert, geklickt und trompetet. Amulet war deutlich aus der Menge herauszuhören, als sie sagte: »Ja,
ich
habe ihm geholfen. Ich habe eine wichtige Aussage gemacht.«
Tom schüttelte den Kopf. Nun wollte das gefiederte Volk also Einzelheiten von ihm hören.
»Wir haben gehört, dass du den Fall abgeschlossen hast. Klick-Klick. Was hast du herausgefunden, Tom?« Wieder einmal hatte Barkas rasch gehandelt und die Position des Sprechers an sich gerissen. Wichtigtuerisch schwamm er vor Tom hin und her und nickte bei jeder Bewegung bedeutungsvoll.
»Ach, da gibt’s nicht viel zu erzählen«, druckste Tom herum. Ihm gefiel dieses große Interesse ganz und gar nicht. Viel lieber hätte er sich in Ruhe gebadet und gebürzelt – und dann in derselben Ruhe den Reihern von seinen Ermittlungsergebnissen berichtet.
»Nun hab dich doch nicht so. Kannst uns ruhig was erzählen.« Barkas ließ nicht locker.
Tom atmete tief ein und schaute in die Runde. Fragende Augen, wohin er auch blickte. Er gab sich geschlagen. »Es ist uns gelungen, Neptunus’ Mörderin ausfindig zu machen. Es handelt sich um die Flügellose Luzie, oben vom Campingplatz. Vielleicht kennt sie der eine oder andere von euch.«
Ein Raunen huschte über den See und Barkas hakte gleich nach: »Kannst du vielleicht noch mehr erzählen?«
»Diese Luzie hatte ein neues Männchen. Und sie wollte Alex, ihr altes Männchen, loswerden, obwohl er noch bei ihr bleiben wollte. Ihr wisst, so etwas wie eine Partnerschaft nur für eine Brutsaison kennen die Flügellosen ja nicht. Und
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