Tod Im Anflug
vertreiben. Unter dem Wohnwagen wedelte er mit ausgebreiteten Flügeln, plusterte sich bis zum Äußersten auf und zischte und trötete so laut er konnte. Balu kläffte wild und blieb eine gute Flügellänge vor Tom stehen. Er hob den Kopf, stampfte mit den Vorderpfoten auf und ging dazu über, zwischen Knurren und Bellen hin und her zu wechseln. Anscheinend war er sich nicht ganz schlüssig, welche Angriffstaktik er wählen sollte. Glasklar dagegen war, dass ein Rückzieher für ihn nicht in Betracht kam.
»Ich hab’s, Tom!« Der Riffler hatte sich trotz des Hundeangriffs nicht beirren lassen, einen Zipfel des Tütchens zu fassen bekommen und herausgezogen. Sofort ließ er es neben Tom auf den Boden fallen, zu sehr erinnerte er sich an den toten Reiher und seine damit verbundene Übelkeit.
Tom war dadurch kurz abgelenkt und sofort kam Balu einen Schritt näher. Mit einem Mal jedoch veränderte sich sein Gesichtsausdruck, und sein Kläffen verkam zu einem jämmerlichen Jaulen. Dann drehte er sich blitzschnell um die eigene Achse und schnappte nach irgendetwas hinter ihm. Wilde Kampfgeräusche waren zu hören.
»Lauf weg, Tom, ich halte ihn in Schach!«, kam es keuchend aus der Rauferei. Es war Rios Stimme. Nach erfolgreicher Fischjagd hatte der Kormoran den Campingplatz auf der Suche nach einem schönen Trockenplatz überquert und war dabei durch Toms Getröte auf dessen Not aufmerksam geworden. Ohne groß nachzudenken hatte er eingegriffen, mit dem starken Hakenschnabel nach dem Dackel geschnappt und seine Rute erwischt.
»Los, nun mach schon«, ächzte Rio.
Tom zögerte keine Sekunde länger und schnappte sich das stinkende und bitter schmeckende Tütchen mit dem Schnabel. Reiners und Hump mussten das Giftfläschchen unbedingt in die Hände bekommen, sonst war es vorbei mit den Träumen von einer Laboruntersuchung. Sie hatten Luzie zwar im Blick, würden aber trotzdem bald ihre Zelte auf dem Campingplatz abbrechen und in die Stadt zurückkehren. Die Hoffnung auf einen belastbaren Beweis für die Staatsanwaltschaft würden sie womöglich ohne ihn begraben müssen. Und dann hätte Luzie tatsächlich den perfekten Mord begangen.
Rasch watschelte er an der wilden Kampfszene vorbei. Balu setzte Rio mit seinen Zähnen mächtig zu, inzwischen wirbelten schon schwarze Federn, aber auch ein paar braune Fellflusen durch den Wind. Verdammt, wo war eigentlich Siggi? Jetzt kam der Riffler Rio zu Hilfe und attackierte den Vierbeiner mit dem Schnabel. Doch der ließ nicht von seinem Gegner ab. Also wandte Rio eine List an, zu der ein Kormoran nur griff, wenn es keinen anderen Ausweg gab. Er würgte heftig und spuckte dem Dackel seine wertvolle Ladung vor die Pfoten. Zwei dicke Fische. Er war nun leichter, eine Flucht wäre einfacher – vorausgesetzt, er konnte nach der ganzen Balgerei überhaupt noch fliegen. Balu guckte verwirrt, schüttelte sich und sah, dass Tom eilig den Weg entlangwatschelte. Eine neue Beute. Sofort nahm er die Verfolgung auf.
In der Entfernung konnte Tom die beiden Kommissare sehen, die in Richtung Hafenmeistergebäude gingen und von dem Kampf offenbar nichts mitbekommen hatten. Hinfliegen war illusorisch, das zusätzliche Gewicht seines ungewöhnlichen Gepäcks hielt ihn davon ab. Er musste es einfach schaffen, sie mussten auf ihn aufmerksam werden, doch nun hörte er das wütende Bellen von Balu hinter sich. Mit schwungvollen Watschelschritten und unter Zuhilfenahme seiner Flügel hastete er hinter den Kommissaren her. Schon wieder Balus Bellen, jetzt dicht hinter ihm. Tom rannte um sein Leben, seine Kehle brannte mittlerweile wie Feuer. Aber das Fläschchen fallen zu lassen und sich selbst in Sicherheit zu bringen kam für ihn nicht in Frage.
Balu kam jedoch immer näher, Tom konnte seinen Atem schon spüren. Mit einem Satz war der Dackel plötzlich über ihm und drückte ihn nieder. Vor Schreck ließ Tom seine Beute aus dem Schnabel fallen. Das Tütchen gab seinen Inhalt frei, das braune Fläschchen rollte auf den Rasen.
Tom fühlte Balus feuchte Schnauze und die spitzen Zähne überall auf seinem Körper. Er spürte, wie seine Kräfte schwanden, Gegenwehr brachte er kaum zustande. Mit letzter Kraft nahm er das Fläschchen in den Schnabel. Das Beweismittel, das um keinen Preis verlorengehen durfte. Sein Hals brannte, er bekam fast keine Luft mehr.
Ihm wurde übel, sein Blick trübte sich, und seine Schmerzen verschwanden.
Das Letzte, was Tom hörte, war Lottes energische Stimme die Balu
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