Tod im Apotherkerhaus
Die Arznei selbst hat er ja schon abgeholt.« »Hä?« Langbehn hielt die Hand hinter die Ohrmuschel. Rapp ersparte sich eine Wiederholung, sondern deutete lediglich auf die Stelle, wo die Unterschrift hingehörte. »Ach, ich soll unterschreiben? Warum sagt Ihr das nicht gleich?« Langbehn setzte mit kratzender Feder seinen Namen unter die Anweisung im Antidotarium. »Noch was?« »Ja, setzt dort unten noch eine Blanko-Unterschrift dazu, ich schreibe dann das Gicht-Rezept darüber.« »Hä?«
Rapp gab es wohlweislich für heute auf und verbeugte sich abschließend.
Fiete kicherte und zog den Alten hinaus auf die Straße. »He is bannig harthörig, nich?«
»Ja, ja.« Rapp stieß einen Seufzer der Erleichterung aus und beschloss, sich ein Stichwort im Rezeptbuch zu machen, damit er die Eintragung nicht vergaß. Doch kaum hatte er die Feder ins Tintenfass getaucht, da hörte er draußen Kindergeschrei. »Blöde Ziege!« »Torfkopf!« »Doofe Kuh!« »Moorsgesicht!«
Rapp sah auf und erkannte Mine mit Isi, die sich mit Fiete einlautstarkes Wortgefecht lieferte. Warum, blieb unklar, schien aber auch nicht so wichtig zu sein. Auf jeden Fall streckten sich beide gegenseitig die Zunge heraus und schnitten dabei Furcht erregende Grimassen. Mine gelang es, die Streithähne zu trennen und Isi in die Apotheke hineinzuzerren. Aufatmend schloss sie die Tür von innen. Draußen zog Doktor Langbehn, der von alledem kaum etwas mitbekommen hatte, mit Fiete ab.
»Wie du siehst, hat Isi darauf bestanden, heute mitzukommen«, sagte Mine.
»Oh, Liebste.« Rapp freute sich, sie zu sehen, und beendete rasch seine Notiz. »Was war denn das für ein Gezanke eben?«
Isi drängte sich vor. »Fiete denkt immer, er war was Besonderes! Bloß weil er vom Doktor ab und zu 'ne Münze kriegt, der Hornochse! Sag, Teo, kann ich auch mal mitgucken beim Thesaurus? Mine erzählt immer so viel, und ich bin ja sooo gespannt!«
Rapp musste lächeln. Er hatte Isi die letzten Tage nicht gesehen und fast vergessen, wie lebhaft und wissbegierig sie war. »Im Augenblick geht es schlecht. Es ist zwar nicht viel Betrieb heute, aber ich kann die Offizin nicht verlassen. Vielleicht in < ein, zwei Stunden. Vorher nicht.« »Oooch, und ich hatt mich schon so gefreut ...« Mine mischte sich ein. »Ich hab's dir doch gleich gesagt, so früh kann Teo noch nicht. Am besten, du gehst wieder nach Hause.«
»Ich möchte aber hier bleiben!«
Rapp hatte eine Idee. »Pass auf, Isi, wir machen es so: Du setzt dich hier auf den Schemel hinter dem Rezepturtisch, und wenn ein Kunde eintritt, klingelst du mit diesem Glöckchen, dann komme ich schnell herunter.«
Isi schmollte. »Dann bin ich ja ganz allein hier, und ihr schmust da oben rum, das ist gemein.«
Rapp setzte ein strenges Gesicht auf. »Wir machen es so oder gar nicht. Nachher sperre ich ab, dann kannst du mit raufkommen. Vielleicht zeige ich dir dann ein Mikroskop.« »Ein Mikroskop? Was ist das?«
»Ein Gerät wie ein Vergrößerungsglas, nur viel stärker. Es bewirkt, das kleine Dinge ganz groß erscheinen.« »Was denn für Dinge?«
»Vielerlei. Nun setz dich da hin. Und denk daran, wenn jemand kommt, klingelst du.« »Ja, Teo.« Isi klang nicht sehr begeistert.
Eine halbe Stunde war vergangen. Rapp hatte Mine zu küssen versucht, war aber auf entschiedene Ablehnung gestoßen. »Willst du, dass Isi Recht behält, du Schwerenöter?«, hatte sie geflüstert und sich seinen Armen entwunden. »Glaub ja nicht, dass ich gekommen bin, um ein Schäferstündchen mit dir zu halten.«
»Auch nicht ein ganz kurzes?«, hatte er gefragt. »Auch nicht. Allerdings, wenn ich's recht bedenk ...« Jetzt standen beide vor der Lesemaschine in der Nebenkammer, und Rapp war mit Feuereifer dabei, den Apparat zu erklären. »Es gibt nichts Praktischeres als diese Maschine«, rief er, »besonders, wenn man sich wie ich der Wissenschaft verschrieben hat. Um zu verstehen, muss man erkennen, und um zu erkennen, muss man verstehen, wie ich immer sage. Bücher sind dafür die wichtigste Grundlage. Viele Bücher mit vielen Informationen, auf die man im Idealfall gleichzeitig Zugriff hat. Deshalb erlaubt es meine Lesemaschine, bis zu acht Bücher simultan einzusehen.«
»Sieht aus wie ein Schaufelrad von 'ner Wassermühle«, meinte Mine.
»Genau, genau! Du hast es erfasst. Aber es war ein langer Weg bis zu dem >Schaufelrad<, wie du es nennst. Zunächst hatte ich mir nämlich eine Lesehilfe in Form eines achteckigen Tischs bauen
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