Tod im Apotherkerhaus
Walnuss: Hast du jemals damit deinen Kopfschmerz vertreiben können?«
»Dann stimmt das mit der Beziehung also doch nicht?« »Ja und nein. Es gibt einfach zu viele Widersprüche. Es müssen noch andere Zusammenhänge existieren, unbekannte und ungleich kompliziertere. Vielleicht dauert es noch hundert oder mehr Jahre, bis die Wissenschaft sie erkennt.« »Aber so lange können wir jetzt nicht warten.« Mine wurde, trotz aller Liebe, energisch. »Wir müssen nach Haus. Fixfööt kommt zum Essen, und ich hab nix vorbereitet.« Rapp, der noch gern ein wenig länger doziert hätte, fügte sich. »Schön, wenn du meinst, Liebste.«
»Ja, das meine ich. Großer Gott! Da fällt mir ein, dass ich kein Salz mehr hab! Was mach ich bloß?«
Rapp schob das Paracelsus-Bändchen zurück ins Regal. »Salz, normales Salz?«
»Ja, natürlich, zum Kochen! Steckrüben ohne Würze schmecken fad.«
Er lächelte. »Mal sehen, was sich machen lässt. In einer Apotheke ist mancherlei aufzuspüren. Wir schauen mal unten nach.« Er nahm sie bei der Hand und ging voran, die Treppe hinunter und durch den Flur nach hinten. In der Küche nahm er ein Standgefäß vom Regal und gab es ihr. »Steinsalz. Damit werden deine Steckrüben köstlich munden.« »Steinsalz?« Mine nahm das Behältnis zögernd entgegen. »Mit so was hab ich noch nie gekocht.«
Rapp unterdrückte ein Schmunzeln. »Oh, ich denke schon.« »Aber Teo! Woher willst du das wissen? Nachher ist das Zeug zu scharf? Oder zu bitter? Hast du nicht normales Küchensalz?« »Probier erst einmal.«
Mine befeuchtete mit der Zunge eine Fingerspitze, tauchte sie ins Gefäß und leckte daran. »Schmeckt ganz normal, vielleicht ist gar kein Steinsalz drin?« »Doch, doch.«
Sie schüttelte den Kopf. »Steinsalz, das wie Küchensalz schmeckt. Das gibt's nicht!«
»Des Rätsels Lösung ist ganz einfach.«
Mine probierte noch mal. Plötzlich erhellte sich ihr Gesicht.
»Steinsalz ist nur'n anderer Name dafür, stimmt's?«
Nun konnte Rapp nicht mehr an sich halten, er musste laut lachen.
Mine stemmte die Arme in die Hüften. »Da hast du mich ja schön aufs Glatteis geführt, Teodorus Rapp, du Schuft, ich werde ...«
Doch weiter kam sie nicht.
Rapp hatte ihr den Mund mit einem Kuss verschlossen.
Viel später, Fixfööt war schon lange wohl gesättigt nach unten gegangen, lag Rapp im Dunkel seiner winzigen Kammer und schalt sich für seine Feigheit. Mit jeder Faser seines Körpers sehnte er sich nach Mine, aber er fand nicht den Mut, hinüberzugehen und sich zu ihr zu legen. Er hatte ihr beim ersten Mal wehgetan, daran lag es, aber wer hätte auch ahnen können, dass ihre mehrfache Äußerung, sie sei eine alte Jungfer, kein Spaß gewesen, sondern wörtlich zu verstehen war. Schließlich fasste er sich ein Herz, entzündete eine Unschlittkerze und stapfte an ihr Bett.
Sie lag da und lächelte ihm entgegen.
»Nun ja, Liebste ...« Mindestens ein Dutzend Sätze hatte er sich zurechtgelegt, mit denen er ihr sagen wollte, wie Leid es ihm tat, aber nun fiel ihm rein gar nichts mehr ein. Mine lächelte weiter. »Ja?«
»Ah-hm ...«, er setzte sich wild entschlossen auf ihre Bettkante. »Liebste, ich habe heute zwar keine Gewandspange dabei, aber was hältst du davon, wenn ich trotzdem die dumme Kerze ausmache?«
Statt einer Antwort blies sie das Licht aus. Wenige Augenblicke später, tief in ihr, wusste er, dass er sich keine Vorwürfe mehr machen musste.
Am Freitag, wenige Tage vor der Rückkunft des Imitators, stand Rapp hinter dem Rezepturtisch und beriet Doktor Cordt Langbehn bei einer Rezeptur gegen die Gicht. Das Unterfangen war nicht ganz leicht, da der alte Arzt nicht nur schlecht zu Fuß, sondern auch halb taub war und sich standhaft weigerte, ein Hörrohr zu benutzen. Endlich schien Langbehn zufrieden und sagte mit brüchiger Stimme: »Und denn tragt mir das man ein, nicht Hauser. Wo ist eigentlich Rapp? Macht sich rar, der Mann. Kenne ihn gar nicht so. Na ja, nützt ja nichts. Tragt Ihr mir das ins Buch ein, Hauser?«
»Jawohl, Herr Doktor!« Rapp hatte das Gefühl, als könne man seine Stimme drei Häuser weiter hören. Fiete, der mitgekommen war, kicherte.
»Was schreit Ihr denn so, Hauser? Was ich noch sagen wollte, die Rezeptur tragt Ihr mir doch ein, nicht wahr?« Rapp schonte seine Stimme, stattdessen nickte er. »Ihr müsst auch noch das Rezept gegen Conjunctivitis unterschreiben, Herr Doktor. Fiete brachte es neulich zum Übertragen.
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