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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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erste Unbekannte. Der Gong rief zum dritten Mal. Rapp, noch einigermaßen verwirrt durch die fremden Männer, fuhr aus seinen Gedanken hoch und vernahm von vorn eine ihm nur zu gut bekannte quäkende Stimme. Verzweifelt murmelte er: »Bei allen Mörsern und Pistillen, mir bleibt wahrhaftig nichts erspart! Kann dieser Kelch nicht an mir vorübergehen?«
    Sein Wunsch wurde nicht erhört. In der Folgezeit ließ sich Madame Lüttkopp des Langen und Breiten über die Ehre und Freude aus, die ihrem Gemahl und ihr durch den Besuch der Anwesenden zuteil würde, zählte die vielen Male auf, die das Palais Lüttkopp in diesem Jahr schon Schauplatz kultureller Ereignisse gewesen sei, erlaubte sich, in aller Bescheidenheit darauf hinzuweisen, dass ihr lieber Mann und sie dies alles aus Freude an der Kunst und mithin völlig uneigennützig möglich gemacht hätten, und leitete endlich über zu dem eigentlichen Grund der abendlichen Zusammenkunft: »Mesdames et Monsieurs«, quäkte sie, sich ununterbrochen befächernd, »je suis tres heureuse ... Ich kündige Euch nun die phantastischen Agosta-Brüder aus Florenz an, Virtuose ein jeder, und jeder Einzelne ein Meister seines Fachs ...«
    Die Lobeshymne auf die drei Musiker ging noch eine Weile weiter, gerade so, als habe Elsa Lüttkopp dieselben persönlich an ihrem Busen groß gezogen und ausgebildet, wieder und wieder unterbrochen von französischen Brocken, wie formida-ble ... tres magnifique ... phantastique ... Höflicher Applaus setzte ein, erstarb aber sogleich wieder wegen der energischen Abwehrbewegungen der Hausherrin. »Mesdames et Monsieurs, un moment s'il vous plait ... große Ehre ... einmalige Darbietung ... das erste Mal in Hamburg ... Italien, die Mutter aller Künste ... Palais Lüttkopp ... unvergleichlicher Genuss ...«
    Rapp wurde die Coffeetasse schwer. Er hatte einen anstrengenden Tag hinter sich, und das gleichförmige Gefasel machte ihn schläfrig. Er überlegte, ob er die Tasse neben sich absetzen durfte, nachdem die seltsamen Fremden gegangen waren und offenbar nicht wiederkamen, doch nun ergriff einer der Agosta-Brüder das Wort. Rapp erkannte, dass es sich nicht um Giovanni handelte, sondern um einen der beiden anderen. Auch dieser ähnelte im Äußeren einer Quappe der Bufonidae, schien allerdings ein paar Jahre älter zu sein. Luigi - oder Pietro - war zunächst mächtig aufgeregt, wie sein in raschem Wechsel auf und nieder hüpfender Adamsapfel verriet, wurde dann aber zusehends sicherer und sprudelte schließlich in einem Mischmach aus Italienisch und Deutsch hervor, dass die heutige Darbietung einzig und allein eine Huldigung des Maestros Corelli sei, jenes vor drei Jahren verstorbenen Genies, dessen Werke unsterblich wären. Der Abend sei den Triosonaten des Meisters vorbehalten; sein Bruder Pietro würde die erste Violine spielen, sein Bruder Giovanni die zweite und er selbst - Luigi - schließlich den Basso continuo auf dem Violoncello. Ein paar Hände klatschten erwartungsvoll. Rapp dachte, nun ginge es endlich los, irrte sich aber, denn als Nächstes hielt Luigi ein gitarrenähnliches, mit Elfenbein-Intarsien reich verziertes Instrument empor und erklärte mit starkem Akzent, dies sei ein Hamburger Cithrinchen, wie jedermann wohl wisse. Natürlich käme es nicht für die Triosonaten Coreliis in Frage, dennoch wolle er die Melodie des ersten Satzes darauf zu spielen versuchen, sozusagen als Verbeugung vor der Hansestadt und dem heimischen Publikum. Starker Applaus setzte ein, denn so etwas hörten die Hamburger gern. Manche von ihnen schlössen die Augen und lehnten sich zurück, in Erwartung der ersten Töne. Doch noch immer war es nicht so weit. Luigi erläuterte jetzt den Unterschied von Kirchensonaten und Kammersonaten; Erstere seien viersätzig, die anderen dreisätzig, bestehend aus dem Eingangsatz und zwei Tanzsätzen, alle drei in der Folge schnell - langsam - schnell angelegt...
    Rapp zog die Taschenuhr hervor und stellte grimmig fest, dass es schon ein Viertel auf neun Uhr war. Wie lange würde man ihn noch gefangen halten? Eine halbe Ewigkeit saß er nun schon hier. Aber was war das? Musik drang plötzlich an sein Ohr! Die Darbietung hatte begonnen. Für einige Minuten konzentrierte er sich auf den unterschiedlichen Klang der Instrumente, bemühte sich vergebens, die Melodie, welche munter die Tonleiter hinauf- und hinabkletterte, zu erkennen, und versuchte, dem Ganzen einen Hörgenuss abzugewinnen. Es gelang ihm nicht. Er war und

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