Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
blieb unmusikalisch. Schon als Kind hatte er die einfachsten Melodien falsch gesungen, für jedermann falsch und unerkennbar ...
    Rapp schreckte hoch. Da war er doch glatt eingenickt! Das durfte ihm nicht noch einmal passieren. Abermals lauschte er den Tönen, die ihn so stetig berieselten, und abermals glitt er hinab in Morpheus' Arme. Hoppla! Er blinzelte und kniff sich in den Arm. Der Schmerz hielt ihn für ein paar Minuten wach. Welcher Satz wohl gerade gespielt wurde? Die Musik hörte sich schnell an. Wie war das noch? Schnell - langsam - schnell, hatte Luigi Agosta gesagt. Demnach konnte es schon der letzte Satz sein. Aber - oh Graus - auch noch immer der erste! Erneut lullten die Klänge ihn ein. Eigentlich hatte er spätestens um neuneinhalb Uhr wieder in der Apotheke sein wollen, ein paar wichtige Arbeiten harrten dort der Erledigung. Auch musste er noch auf den Kräuterboden steigen und den Trocknungsgrad einiger Pflanzen überprüfen. Er seufzte halb im Schlaf. Die Tätigkeit eines Pharmazeuten glich einem Fass ohne Boden und ließ für andere Professionen kaum Spielraum. Und nun hatte auch noch die kalte Jahreszeit eingesetzt, mit Niesel und Nässe und dem typischen Hamburger Nordwest, einem Wind, der durch Mark und Bein blies und so manches Zipperlein hervorrief. Die Zeit der lindernden Thees war gekommen. Es gab Dutzende Rezepturen und noch mehr Drogen, und alle wollten mit der gebotenen Sorgfalt aufbereitet sein. Rapp war stolz auf seine Febris-Thees gegen die übermäßige Körperhitze. Je heißer sie aufgebrüht wurden, desto besser wirkten sie ...
    »Herrje!« Was war das? Ihm selbst war unerwartet heiß geworden. Ein dunkler Fleck breitete sich auf seinem schönen roten Rock aus - der Coffee!
    Zähneknirschend und zur Untätigkeit verdammt, musterte Rapp das Ärgernis, bevor er endlich die Tasse auf einem der freien Stühle absetzte. Warum nur hatte er das nicht gleich gemacht? Wie lange er wohl geschlafen hatte? Die Musik jedenfalls war noch zu hören. Spielten die Agosta-Brüder nun schnell oder langsam, welcher Satz war dran? Über diesen Gedanken nickte er zum wiederholten Male ein. Doch alles auf dieser Welt hat einmal ein Ende, und so war es auch mit diesem, von Madame Lüttkopp als Soiree bezeichneten Abend. Rapp merkte es an dem Applaus, der ihn aus seinen Träumen riss. Pflichtschuldigst klatschte er ebenfalls. Es war geschafft! Licht am Ende des Tunnels! Er zog die Uhr hervor und schielte heimlich aufs Zifferblatt. »Donnerwetter, schon bald elf Uhr!«, entfuhr es ihm. Es wurde höchste Zeit, nach Hause zu kommen. Da die anderen Gäste sich erhoben, tat er es ihnen gleich und schob sich aus dem Raum - nicht ohne die Coffeetasse vorher mit einem wütenden Blick gestreift zu haben.
    Wo war nur die Gastgeberin? Rapp reckte den Hals. Aha, da vorn stand sie ja. Sie parlierte mit den Agosta-Brüdern - umringt von einer Gruppe jener Spezies von Zuhörern, die am Ende jeder Veranstaltung glauben, sich wichtig machen zu müssen, indem sie überflüssige Fragen stellen oder Schmeicheleien von sich geben. Rapp schnaubte. Dann musste die Dame eben auf seinen Abschiedsgruß verzichten. Wenn er es recht bedachte, war er darum auch keineswegs traurig. Wo war nur der verdammte Ausgang? Ach, natürlich, dort, wo alle anderen hindrängten. Wenn er nur nicht vergaß, sich seinen Stock und seinen Dreispitz wiedergeben zu lassen. Er erinnerte sich, beides beim Eintreten einem Bediensteten überantwortet zu haben, konnte sich aber nicht an das Gesicht des Burschen erinnern. »Euer Hut, Euer Stock, Monsieur«, schnarrte eine Stimme hinter ihm.
    »Ah-hm ... ja!«, fuhr Rapp herum. »Ich hatte schon befürchtet, dass ich meine Sachen nicht ... nun ja ...« Er ließ offen, was er befürchtet hatte, denn das ging den Diener einen feuchten Kehricht an, und rammte sich den Dreispitz auf die Perücke. Den. Stock in der Hand, betrat er kurz darauf die Straße. Vor ihm und neben ihm herrschte rege Aufbruchstimmung. Die Zweispänner der reichen Herrschaften setzten sich holpernd in Bewegung. Kutscher schnalzten mit der Zunge, Peitschen knallten und Pferde wieherten nervös. Die weniger Begüterten unter den Gästen standen am Straßenrand und feilschten um die Gunst der fünf oder sechs Laternengänger, die das Haus Lüttkopp für den Heimweg zur Verfügung gestellt hatte. Auch Rapp hätte gern einen dieser hilfreichen Begleiter in Anspruch genommen, aber selbstverständlich schnappte man ihm den Letzten vor der Nase

Weitere Kostenlose Bücher