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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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so etwas wie Erleichterung. Er tastete mit der freien Hand nach der Taschenuhr, holte sie hervor und studierte das Zifferblatt. »Es sind noch genau neun Minuten bis acht Uhr«, verkündete er dann, nun schon etwas verbindlicher.
    Der Schwarzberockte stöhnte auf. »Mamma mia, so spät, so spät! Gleich es geht los. Könnt Ihr vielleicht halten einen Moment meine, äh, Pfeife, per favore?«
    Rapp blieb nichts anderes übrig, als seine Uhr zurückzustopfen und das Rauchinstrument entgegenzunehmen, wobei er sich fast die Finger am Tonkopf verbrannte. Es war ein Tonkopf, wie ihn wohl nur ein Musiker auswählte, denn er hatte die Proportionen einer Wirbeltrommel und war ebenso bemalt. »Grazie, Signore, Ihr seid ein guter Mensch!« Die Kaulquappe nahm ein riesiges Taschentuch in beide Hände und presste es sich gegen die feuchte Stirn. Dann wischte sie sich den schweißnassen Nacken aus. »Ihr müsst wünschen mir Glück, viel Glück, per favore ...!«
    Rapp, die Tonpfeife in der einen, die Coffeetasse in der anderen Hand, kam sich etwas lächerlich vor. »Glück? Ich verstehe nicht, mein Herr, ich ...«
    »Scusi! Scusi tanto! Ich vergaß vorstellen mich. Mein Name ist Giovanni Agosta!« Der Mann, offenbar ein Italiener, wedelte mit dem Tuch in Richtung seiner zwei Begleiter. »Meine Brüder! Luigi und Pietro. Wir sind aus Firenze, sind Musici, verstehen? Wir machen Musik. Wir gleich haben unsere Auftritt.« »Aha, ja.« Rapp dämmerte es, dass er zu einem Kammermusikabend eingeladen war. Das hatte er nicht wissen können. Davon hatte auf der Einladung der Lüttkopps kein Wort gestanden. Seine Laune, eben im Begriff, sich zu bessern, sank wieder. Eifrig sprach Giovanni Agosti weiter: »Ihr kennt Corelli, Signore?« »Nun ...«
    »Arcangelo Corelli?«
    Rapps Welt war nicht die der Töne. Niemals zuvor hatte er von einem Mann namens Corelli gehört und das, obwohl die Kaulquappe den Namen so ausgesprochen hatte, als müsse ihn jedermann kennen. Rapp vermutete, dass es sich bei dem Genannten ebenfalls um einen Musiker handelte, vielleicht um einen Komponisten, und beschloss, sich keine Blöße zu gehen. »Warum seid Ihr eigentlich so aufgeregt?«, stellte er eine Gegenfrage. »Dies ist doch gewiss nicht Euer erster Auftritt?« Damit hatte Rapp die Schwierigkeit umschifft, denn Agosta nahm sogleich den Faden auf und sprach gestenreich über die große Bedeutung, die dieser Auftritt für ihn und seine Brüder habe; es sei das erste Mal, dass sie in »Amburgo« gastierten und die Chance, einige Bekanntheit bei den einflussreichen Bürgern zu erlangen, einmalig. Alles, wirklich alles, hinge davon ab, wie ruhig ihre Hände die Bögen führen würden. Wenn Rapp sich auch nichts aus Musik machte, so tat ihm sein Gegenüber dennoch Leid. Die Kaulquappe war nicht unsympathisch, im Gegenteil, sie sah sogar recht passabel aus. Der Mund erinnerte an den eines lebensfrohen römischen Fauns, dazu kamen eine starke Nase und jene Fältchen um die Augen, wie sie Menschen besitzen, die gern und häufig lachen. Rapp, der im Grunde seines Herzens von hilfsbereiter Natur war, hoffte, Agosta würde nach der Vorstellung Grund zum Lachen haben. Ohne sich dessen bewusst zu werden, steckte er die Pfeife des anderen in die Rocktasche und holte im Gegenzug ein kleines Fläschchen hervor. Er überreichte es dem Musiker. -Was ist das, Signore?«
    » Lest, was darauf steht.«
    »Si, si.« Mit einiger Mühe buchstabierte der Italiener die Aufschrift: »Rapp'sche Beruhigungstropfen ... grazie, Signore, Ihr meint ...?«
    » Genau das. Trinkt nur das ganze Fläschchen leer. Ich verbürge mich für die Wirksamkeit seines Inhalts, weil ich ihn selbst hergestellt habe. Mein Name ist Rapp, Teodorus Rapp. Ich besitze das Apothekenhaus Rapp in der Deichstraße.« Agosta öffnete das Fläschchen und zögerte.
    • Ihr könnt die Arznei getrost einnehmen. Die Tropfen sind ausgezeichnet, ich habe sie immer dabei. Sie enthalten die Extrakte vieler segensreicher Pflanzen.«
    »Si, äh, si, si.« Agosta setzte das Fläschchen an die Lippen und kippte entschlossen einen Großteil der Flüssigkeit hinunter. Rapp sah es mit Genugtuung. Er wusste, dass sein Tranquilium in den wenigen Minuten bis zur Aufführung kaum zur Wirkung kommen würde - er wusste aber auch, dass der Glaube an ein Medikament Berge versetzen kann. »Die Tropfen sind nach einer bestimmten Theorie aufbereitet: der des Goldenen Schnitts, wenn Ihr versteht, was ich meine«, sagte er, und ohne die Antwort

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