Tod im Apotherkerhaus
Apothekenhaus auftauchten. Wenn überhaupt. Welch erfreulicher Gedanke! Andererseits hatte niemand, und sei er noch so schlecht, einen so grausamen Tod verdient. »Ich muss zur Deichstraße!«, rief er. »Ich bin ohnehin schon spät dran. Kann ich dir den kleinen Pinkler anvertrauen, Liebste?«
»Kannst du, Teo. Aber pass auf dich auf!« Mine streichelte unablässig den blonden Schopf des Kleinen und spitzte die Lippen, um einen Abschiedskuss anzudeuten. »Komm heute mal früher.« »Ja, Liebste.«
Rapp achtete nicht auf die Hofgören, von denen einige über den Ausdruck »Liebste« kicherten, und hastete in Richtung Gang, doch kurz davor blieb er noch einmal stehen. Ein Einfall war ihm gekommen. »Isi? Isiii!«
»Was ist, Teo?« Die freche Göre rannte zu ihm hin. Rapp nahm sie beiseite. »Kannst du mich zum Apothekenhaus begleiten?« »Klar, warum, Teo?«
Rapp erklärte es ihr. Es dauerte eine Weile, bis alles gesagt war, doch dann nickte Isi begeistert. Ein neues Abenteuer bahnte sich an.
»Du kommst spät.« Die Stimme des Imitators war ein einziger Vorwurf.
Rapp schloss die Tür der Apotheke hinter sich. »Es tut mir Leid.«
»Schon gut. Es geht bereits auf zwölf Uhr, was denkst du dir eigentlich?« Rapp schwieg.
Der Imitator schien auch keine Antwort zu erwarten. Er war dabei, die Anweisung zur Herstellung der Rapp'schen Beruhigungstropfen zu studieren, allerdings vergeblich, wie seinem Gesichtsausdruck zu entnehmen war. »Heute Morgen ist wiederholt nach, äh, meinen Beruhigungstropfen gefragt worden. Die vorbereiteten Fläschchen sind aber fast aufgebraucht. Ich will gerade einen neuen Vorrat herstellen, doch meine Augen wollen nicht mehr so. Das Lesen kleiner Buchstaben fällt mir schwer. Übernimm du das.«
»Gerne, Herr Apotheker«, sagte Rapp und dachte: Damit du wieder auf meinem Stuhl sitzen und Löcher in die Luft starren kannst, aber die Suppe werde ich dir versalzen. Zunächst jedoch spielte er den braven Apothekergehilfen. Er tat so, als lese er die Rezeptur genauestens durch und maß dann Melisse, Kampfer, Passiflora, Hopfen und Baldrian in den vorgeschriebenen Teilmengen ab. »Ja, ja«^ sagte er irgendwann wie nebenbei, »dies ist ein Tag, an dem man wahrlich ein Tranquilium brauchen kann.«
Der Scharlatan reagierte nicht; er war mit seinen Gedanken ganz woanders.
Rapp wiederholte seine Bemerkung. »Wie meinst du das?«
Rapp blickte ungläubig. »Ja, habt Ihr es denn noch nicht gehört?«
»Nein, wovon redest du?«
»Die ganze Stadt spricht darüber.« Es bereitete Rapp nicht wenig Vergnügen, den Scharlatan unruhig werden zu sehen.
»Worüber? Heraus damit!«
»Über die Toten, Herr Apotheker. Ich kann gar nicht glauben, dass Ihr noch nicht von ihnen gehört habt.« »Himmeldonnerwetter noch mal!« Der Imitator sprang auf. »Willst du wohl endlich Näheres sagen! Oder weißt du nicht mehr?«
Rapp spürte, jetzt musste er mit der Sprache heraus/, wollte er den falschen Apotheker nicht ernstlich verärgern. »Drei Männer sind am Hafen tot aufgefunden worden. Sie wurden ermordet.«
»Drei Männer?« Der Imitator musste sich erst einmal wieder setzen.
»So heißt es. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern.« »Und woher willst du wissen, dass sie ermordet wurden? Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand in der Elbe ertrinkt oder Opfer eines Unfalls wird.«
Rapp nickte und dachte: Du klammerst dich noch an einen Strohhalm, Scharlatan, aber auch das wird dir nichts nützen. »Wenn die Männer ertrunken oder verunglückt sind, dann hat ihnen jemand anschließend ein Messer in den Rücken gestoßen, Herr Apotheker, aber das würde wohl wenig Sinn machen. Nein, nein, es war heimtückischer Mord, und zwar gleich an drei Burschen. Ich frage mich, was sie auf dem Kerbholz hatten, und die halbe Stadt fragt sich's auch.« »Die halbe Stadt«, bestätigte ein dröhnender Bass, »und der hochwohllöbliche Rat ebenfalls.« Ladiges und seine Mannen traten zur Tür herein. Der Büttel war barhäuptig, vielleicht, weil das Wetter an diesem Tag sonnig war. Sonnig und kalt, denn ein frischer Südost blies aus den Vierlanden in die Stadt. »Die Toten wurden halb im Wasser unter der Hohen Brücke gefunden, keine hundertfünfzig Schritte von hier.«
»So?« Der Imitator hatte sich eisern in der Gewalt, nur die Knöchel seiner Hände, mit denen er sich an den Rezepturtisch klammerte, schimmerten weiß. »Ich bin Euch sehr verbunden, dass Ihr mir das mitteilt, Meister Ladiges, aber was habe ich
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