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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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spärlicher. Schließlich kam niemand mehr. Isi sagte sich, dass es nur zwei Möglichkeiten gab: Entweder wohnte der Scharlatan in der Börse oder sie hatte ihn beim Verlassen übersehen.
    Wahrscheinlich hatte sie ihn übersehen. Mit hängendem, Kopf schlich sie zurück zu Opas Hof. Fast hätte sie geweint.

 
    Kapitel fünfzehn,
    in welchem ein Karpfen namens Gottwald auftaucht und allerlei Gastropoden verschenken will.
     
    R und zwei Wochen waren vergangen. Eine Zeit, in der sich kaum Bedeutendes ereignet hatte, wenn man davon absah, dass der Imitator mit jedem Tag ein wenig nervöser geworden war, weil es ihm weder gelang, Rapps Thesaurus-Versteck ausfindig zu machen noch die Reste desselben aus dem zweiten Stock stehlen zu lassen. Aber auch Rapp war mit seinen Nachforschungen nicht weitergekommen. Noch immer lag die wahre Identität des Scharlatans im Geheimen, und das, obwohl ihm sogar Fixfööt mehrfach bis zur Börse gefolgt war - jedesmal mit demselben enttäuschenden Ergebnis. Es schien, als würde der Imitator sich dort in Luft auflösen.
    Man schrieb den dritten Dezember, Rapp stand in der Offizin und schätzte sich einmal mehr glücklich, dass in der vergangenen Nacht keine Langfinger nach seinem Thesaurus gegriffen hatten. Vielleicht lag es an der Bewachung durch Ladiges' Männer, vielleicht auch daran, dass es dem Imitator schwer fiel, neues Diebespack zu rekrutieren, vielleicht auch an beidem -Rapp war es gleichgültig, Hauptsache, er wusste, wo seine Schätze lagerten, Hauptsache, er konnte viel Zeit in seinem Apothekenhaus verbringen, Hauptsache, er hatte Mine. Das Verhältnis zu ihr war - wenn überhaupt möglich — noch inniger geworden. Ja, manchmal schien sie ihm schon mehr zu bedeuten als seine Sammlung.
    An diesem Vormittag war es ruhig in der Offizin. Rapp beriet ausführlich einen älteren Seemann, der über Ohrensausen klagte. Er füllte ihm etwas aus dem Bai: Opium-Gefäß, ab und empfahl, den Balsam dreimal täglich in den Gehörgang zu träufeln, dies die üblichen sieben Tage. Auch Knoblauchwickel im Nacken sollten hilfreich sein. Der Janmaat brummte einen Dank, zahlte und verließ mit einem Seitenblick auf den Imitator, der wie stets auf seinem Stuhl saß, die Offizin. Matrosen kamen jetzt seltener, seit ein Großteil der Schiffe den Hamburger Hafen verlassen hatte. Auch der trinkfeste Klaas war fort, seine Seeschwalbe hatte Kurs auf die Nordsee genommen, sowie die Winde es zuließen. Rapp und seinen Freunden war der Abschied nicht leicht gefallen.
    Rapp seufzte. Wie sollte das alles noch enden? Gewiss, er fühlte sich einigermaßen sicher in seiner Haut, und das Zusammenleben mit Mine hätte harmonischer nicht sein können, aber trotzdem ...
    Rapp kehrte in die Wirklichkeit zurück und räumte das Standgefäß mit dem Opiumbalsam fort. Dabei verfolgte er mit den Augen den sich entfernenden Matrosen. Ein kleiner Mann mit Schnäuzer begegnete ihm, und Rapp dachte gerade, er würde vorbeigehen, da blieb er stehen. Er blickte nach oben, schien den Pferdekopf zu studieren und den Schriftzug Apothekenhaus Rapp zu lesen. Dann trat er entschlossen ein. »Mein Name ist Doktor Christof Gottwald«, stellte er sich vor und neigte höflich sein Haupt. »Habe ich das Vergnügen mit dem Herrn Apotheker Teodorus Rapp?« Rapp hätte am liebsten mit Ja geantwortet und den zierlichen Mann auf das Herzlichste empfangen, denn er hatte ihn soeben erkannt. Nicht dem Aussehen, sondern der Beschreibung nach. Gottwald war ebenso ein Thesaurus-Jünger wie er selbst. Er lebte in Danzig und stand in ständiger Korrespondenz mit seinesgleichen - natürlich auch mit Rapp. So wie dieser einen regen Briefwechsel mit Sir Hans Sloane, dem Präsidenten der Wissenschaftsorganisation Royal Society in London, pflegte, mit Johann Jakob Scheuchzer, dem Naturforscher und Stadtarzt in Zürich, mit Johann Jacob Baier, dem Präsidenten der Akademie von Naturforschern Leopoldina, mit Albertus Seba, dem bekannten Apotecarius aus Amsterdam, und vielen anderen. Sie alle vereinte die Liebe zu Naturalienkabinetten und die Leidenschaft des Sammelns. Über Länder und Grenzen und Stände hinweg tauschten sie Erfahrungen und Exponate aus und pflegten einander bisweilen zu besuchen. Dieserart bildeten sie eine eigene, von ihnen als Gelehrtenrepublik bezeichnete, liberale Gemeinschaft - und in eben dieser war Gottwald als »Cyprinus« bekannt. Cyprinus wie Karpfen, denn die Fransen seines Schnäuzers erinnerten an Barteln. »Ich bin

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