Tod im Apotherkerhaus
Unwillkürlich blieb er stehen und duckte sich hinter einen Mauervorsprung. Die Kerle schienen es nicht eilig zu haben, sie wechselten ein paar Worte, die er nicht verstand.
»AnreKapb oyae/r yzjHBJieH, xa, xa, xa!« »JX&, oh AOJüKeH cefinac npHHTH.«
Dann kamen sie direkt auf ihn zu. Rapp drückte sich noch tiefer in sein Versteck. Sollte er versuchen, die Burschen aufzuhalten? Bestimmt hatten sie ihn bestohlen. In der Geheimschublade seines Rezepturtisches befand sich Geld, ein hübsches Sümmchen, das zu entwenden sich allemal lohnte. Aber konnte er das Diebespack dingfest machen? Die Frage erübrigte sich. Es stand einer gegen zwei, dazu kam sein lädierter Fuß. Und selbst wenn er es schaffte, was sollte er mit den Langfingern tun? Sie der Nachtwache ausliefern?
Unterdessen waren die Kerle vorbeigeschlendert, ohne ihn zu bemerken. Rapp bemühte sich, ihre Gesichter zu erkennen, doch es gelang ihm nicht. Zu tief hatten sie ihre Kappen in die Stirn gezogen. Wer waren sie? Irgendwie kamen sie ihm bekannt vor. Rapp spürte, dass ihm allmählich alles egal war. Er wollte nur noch nach Hause. Die letzten Schritte stolperte er fast und stand endlich vor der halboffenen Tür. Er wollte hineinstürzen - und tat es nicht. Irgendetwas, vielleicht eine innere Stimme, hatte ihn gewarnt. Vorsichtig schob er den Kopf vor und spähte in die Offizin. Was er sah, gab es nicht.
War das ein Spuk? Ein Traum? Ein Hirngespinst? Rapp schlug das Herz bis zum Hals. Sicher hatte er sich geirrt. Sein Hirn gaukelte ihm etwas vor. Daran lag es. Ihm war in der vergangenen Nacht übel mitgespielt worden, und er war körperlich in miserabler Verfassung. Abermals wagte er einen Blick, diesmal darauf achtend, dass er selbst nicht gesehen werden konnte.
Noch immer stand der Mann da.
Es war ein Mann von durchaus passabler Erscheinung, schlank, über dreißig, mit energischen, eigenwilligen Zügen. Er trug eine Allongeperücke und einen weinroten Rock. Er war - Teodorus Rapp.
Rapp, vor der Tür, begann an seinem Verstand zu zweifeln. Der Kerl da drin, das war doch er! Andererseits, der Mann war echt. Jeder Zoll an ihm stimmte mit Teodorus Rapp überein. Sogar der Coffeefleck auf dem weinroten Rock war vorhanden. So etwas gab es kein zweites Mal! Und wer war dann er? War er nur ein Trugbild des echten Rapp? Gab es so etwas überhaupt? Konnten Seele und Geist von Körper zu Körper wandern? Er hatte darüber gelesen, aber er hatte es nicht geglaubt. Rapp schnaubte. Sein gesunder Menschenverstand gewann wieder die Oberhand. Hatte er etwa einen Zwillingsbruder? Nein, bei allen Mörsern und Pistillen!
Es musste für alles eine plausible Erklärung geben. Fest stand, dass der Mann ihm täuschend ähnlich sah. Fest stand, dass er einen weinroten Gehrock trug. Und fest stand auch, dass der Rock Rapps Eigentum war. Der Coffeefleck bewies es. Also trug der Mann genau das Kleidungsstück, das man ihm in der vergangenen Nacht geraubt hatte. Also musste der Kerl mit dem Überfall zu tun haben!
Rapp zog sich ein wenig zurück und lugte durch ein Fenster. Der Mann stand hinter dem Rezepturtisch und blickte immerfort zur Tür. Worauf wartete er? Die beiden Unbekannten, die kurz zuvor gegangen waren, hatten nicht den Eindruck gemacht, als würden sie so bald zurückkehren. Nach wem konnte der Doppelgänger sonst Ausschau halten? Rapp grübelte. Und dann kam ihm die Erkenntnis, dass er es selbst war. Er trat zurück ins Dunkel der Straße und nahm sich vor, genau das nicht zu tun, womit der Kerl rechnete. Er würde nicht in die Apotheke gehen, zumindest nicht gleich. Was wollte der Mann nur von ihm? Rapp versuchte, sich in die Lage des anderen Mannes zu versetzen:
Wenn dieser zu den Halunken des Überfalls gehört, sagte er sich, warum wartet er hier in meinen Kleidern auf mich? Um mich zu reizen? Er muss doch damit rechnen, dass ich ein großes Gezeter anstimme und sofort zur Nachtwache laufe und ... halt! Muss er das wirklich? Ja, schon. Aber nur, wenn mir nicht bewusst ist, zwei Menschen getötet zu haben. Doch dann wird er mir auf den Kopf zusagen, dass ich ein Mörder bin. Und versichern, dass er dafür mehrere Zeugen hat. Und ich? Wenn ich trotzdem die Nachtwache hole, kann er es auf eine Gegenüberstellung ankommen lassen. In meinem Aufzug werde ich bestimmt den Kürzeren ziehen. Er wird Teodorus Rapp sein und ich ein hergelaufener Herumtreiber. Und selbst wenn es mir gelingt, den Schwindel aufzuklären: Mörder bleibt Mörder.
Ich werde
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