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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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erpressbar sein!
    Und im anderen Fall? Da geht er davon aus, dass ich um meine Tat weiß. Er wird mir kalt lächelnd erklären, dass sie auch ihm bekannt ist. Himmelherrgott, wie ich es auch drehe, ich bin in seiner Hand. Er kann mich zu seinem Werkzeug machen. Aber wofür?
    Rapp presste die Lippen aufeinander. So weit war es noch nicht! Noch war er nicht in die Falle getappt. Wenn er sich seinem Widersacher nicht zeigte, konnte der ihn auch nicht erpressen. Er fasste wieder Mut und fragte sich, ob er später in der Nacht, wenn der andere verschwunden sein würde, zurückkommen sollte, doch verwarf er den Gedanken sogleich wieder. Er würde nicht in der Lage sein, das eigene Haus zu betreten, denn der Schwindler schloss gewiss hinter sich ab, und die Tür zum Hof war durch einen massiven Riegel von innen gesichert. Trotzdem, spätestens morgen früh musste sich alles zum Guten fügen. Er würde Schlossermeister Gross von gegenüber bitten, ihm die Hintertür zu öffnen, und wenn der Doppelgänger dann, scheinheilig den roten Rock tragend, mit den Bütteln des Rates anrückte, war es an ihm, zu beweisen, dass er kein Mörder war.
    Der Gedanke gefiel Rapp. Er wandte sich ab und humpelte davon.
    Rapp ging hinunter in Richtung Kajen und wandte sich dann nach rechts. Wieder und wieder überprüfte er seine Gedankengänge und kam zu der Überzeugung, dass sie logisch waren. Ein Gefühl der Befriedigung bemächtigte sich seiner. Wenn alles gut ging, würde er mit einem blauen Auge aus der Sache herauskommen. Nur seinem Magen half das wenig. In seinem Gedärm wütete der Hunger. Er schmerzte mittlerweile mehr als der Fuß. Als Rapp auf Höhe Rödingsmarkt war, machte er vor der kleinen Eckschänke Halt. Er hatte dort ein paarmal seinen Abendtrunk genommen, daher wusste er, dass der Besitzer ein gutmütiger Mann war, der Bettlern schon mal den Rest einer Mahlzeit zusteckte. Er humpelte durch einen schmalen Gang zur Hintertür und stieß unversehens mit einer dunklen Gestalt zusammen. Es war ein Mann, der dort sein Wasser abschlug. Der Art nach, wie er dabei schnaufte, war er schwer betrunken. »P... Pass op, du M... Moors!«
    Rapp ersparte sich eine Entgegnung. Er überlegte sich bereits die Worte, die er an den Wirt richten wollte. Dass er sich dabei nicht als Teodorus Rapp zu erkennen geben durfte, verstand sich nach den Geschehnissen des Tages von selbst. Umso wichtiger war es, den richtigen Ton zu treffen. Da spürte er plötzlich etwas Nasses am Bein.
    »Hier, s... sullst ok wat von mien P... Pisse hebben, hupps, is noog von do ... hoho!«, lallte der Betrunkene. Rapp holte aus, ohne dass er es eigentlich wollte. Doch an diesem Tag war zu vieles auf ihn eingestürzt, als dass er sich noch beherrschen konnte. Mit einem einzigen Streich seiner Krücke riss er den Pisser von den Beinen. Es gab ein gewaltiges Gepolter. Der Mann ging an einem Bretterzaun zu Boden und fing lauthals an zu jammern und zu keuchen. Rapp dachte grimmig: Wenigstens lebt er noch! Hinter ihm wurde die Tür aufgerissen, ein pausbäckiger Mann erschien im Rahmen und schnauzte: »Wat is dat för'n Gequüüüche hier?«
    Rapp sah, dass es nicht der Wirt war, den er kannte. Ob er den Mann trotzdem nach etwas Essbarem fragen sollte? Er war sich nicht sicher. »Ah-hm ... ich ...«, begann er. »Wat steihst du hier rüm? Schaff mi den Suupkopp von'n Hals!«
    Die Tür wurde zugeknallt. Rapp stand unverrichteter Dinge da. Das Stöhnen des Betrunkenen ging in ein Schnarchen über; der Kerl begann seinen Rausch auszuschlafen. Rapp kämpfte einen schweren Kampf mit sich. Sollte er es noch einmal versuchen? Nie hätte er gedacht, dass es so schwer fiel, ein Almosen zu erbitten. Dabei wollte er nur das tun, was täglich zahllose Arme mit der größten Selbstverständlichkeit taten. Von siebzigtausend Einwohnern der Stadt, so sagte man, seien an die zehntausend Bettler.
    Er konnte es nicht. Mit einem letzten Blick auf die Schnapsleiche zu seinen Füßen steuerte er den Binnenkajen an und humpelte über die Schaartorbrücke. Vom Hafen grüßte das Baumhaus herüber, dessen erster Stock festlich erleuchtet war. Wahrscheinlich fand dort wieder eines der beliebten Konzerte statt. Auch die Galerie, auf der bei schönem Wetter viele Hamburger bei Coffee, Thee oder Einbeck'schem Bier saßen, war im Schein der Hafenlichter gut zu erkennen. Rapp stapfte weiter, den Baumwall entlang und zu den Vorsetzen.
    Was sollte er nur die ganze Zeit bis zum morgigen Tag machen? Er konnte

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