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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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bewegen.«
    Rapp gehorchte. Es gelang ihm halbwegs, wenn auch unter Tantalusqualen.
    »Und nun den Fuß. Ja, so.« Rapp keuchte. »Wer seid Ihr, dass Ihr mir helft?« Der Mann ließ von dem Fuß ab und richtete sich auf. Er war um die Vierzig und einen Kopf kleiner als Rapp, aber mit Sicherheit genauso schwer. Seine rundliche Gestalt steckte in einem abgewetzten Gehrock, der, wie alles, was der Mann trug, von schwarzer Farbe war. Sogar die Augen waren schwarz, wie Rapp bemerkte. Sie blickten ihn prüfend an, und der Mann sagte knapp: »Ich bin Doktor Fernäo de Castro. Ich bin Physikus. Und wie heißt du?«
    Rapp straffte sich. Er wusste jetzt, wen er vor sich hatte. Als Apotheker kannte er den Arzt zwar nicht vom Sehen, doch immerhin vom Namen her. Er entstammte einer jüdischen Familie, deren Vorfahren aus Portugal eingewandert waren. »Mein Name ist Teo ...«, hob er an und brach sofort wieder ab. Wenn er dem Physikus erzählte, er sei Teodorus Rapp, der Apotheker, würde dieser ihm ganz gewiss nicht glauben. Und wenn doch,
    würde Rapp ihm eine ganze Menge an Erklärungen schuldig sein. Damit nicht genug, würde sein Retter ihm womöglich raten, den Überfall anzuzeigen. Und genau das wollte Rapp vermeiden.
    »Schön, Teo, dein Fuß muss behandelt werden. Komm.« Ohne eine Entgegnung abzuwarten, legte sich der Physikus Rapps rechten Arm über die Schulter und stützte ihn auf diese Weise. »Es sind nur ein paar Straßen bis zu mir.« »Nein, ich ...«
    »Die Zehen sind nicht gebrochen, aber die Prellung muss behandelt werden.« De Castro schritt aus, und Rapp musste, ob er wollte oder nicht, mitgehen. Es war inzwischen Sonntag kurz nach Mittag, und die Straßen waren wenig belebt, da die Kirchgänger heimgekehrt waren und noch zu Tische saßen. Doch die wenigen Passanten, die ihnen begegneten, machten große Augen angesichts des ungleichen Paars. Den Physikus schien das nicht im Mindesten zu stören. Er ging stetig weiter, so dass sie gut vorankamen und schon nach zehn Minuten vor seinem Haus standen. Es war ein alter Fachwerkbau, zweistöckig, mit breitem Giebel und kleinen Fenstern.
    »Du wartest hier.« De Castro verschwand und war wenige Augenblicke später wieder zurück. Er hatte eine Arzttasche dabei, die er nun öffnete. »Ich habe kein Geld«, sagte Rapp.
    »Das dachte ich mir. Setz dich da auf den Stein und strecke das Bein aus.« Der Physikus begann eine dicke Salbe auf Rapps Zehen zu streichen. »Das Unguentum wird den Schmerz aus der Schwellung ziehen und sie abklingen lassen. Morgen oder übermorgen kannst du wieder hüpfen wie ein Frosch.« »Danke.« Gern hätte Rapp gewusst, was die Inhaltsstoffe der Salbe waren, verkniff sich aber die Frage. Stattdessen sagte er: »Das hätte nicht jeder getan.« »Ich bin auch nicht jeder.« Das war Rapp klar. Die Frauen und Männer der jüdischen Gemeinde lebten in Hamburg ein eigenes Leben, geprägt von den strengen Vorschriften ihrer Religion. »Ich habe Euch noch nie gesehen.«
    »Ich bin häufig unterwegs.« »Auch am Sonntag?«
    Statt einer Antwort musterte der Arzt Rapp missbilligend, dann schickte er sich an, einen Verband um die Zehen zu legen. »Entschuldigung.«
    Der Physikus schien versöhnt. »Ja, auch am Sonntag. Wenn es sein muss, sogar am Passahfest.«
    »Ah-hm ... ja.« Rapp fiel darauf nichts ein. Jedenfalls nichts, was er als abgerissener Habenichts entgegnen konnte. »Dafür, dass du über dich selbst kein Wort verlierst, verstehst du es sehr gut, andere auszufragen.« Auf de Castros Gesicht stahl sich ein Lächeln. »Aber ihr seid ja alle so.« »Ja«, sagte Rapp. Offenbar hatte der Physikus ihn in eine Schublade mit Herumtreibern, Langschläfern und Taugenichtsen gesteckt. Mit Burschen, die sich Tag für Tag aufs Neue durchschlagen mussten und dabei die Ohren offen hielten, weil ihnen jede Information von Nutzen sein konnte. Wenn man bedachte, dass der Physikus einen Mann vor sich hatte, der wie eine Vogelscheuche aussah, konnte man ihm die Bemerkung kaum verübeln. »Wenn ich wieder Geld habe, komme ich vorbei und zahle. Mein Wort darauf.«
    »Tu das.« De Castros Stimme klang nicht so, als würde er damit rechnen. Er sicherte den Verband mit einem Knoten und richtete sich auf. »Aber es genügt, wenn du mich gelegentlich wissen lässt, wie die Salbe wirkt. Sie ist neu und von einer Rezeptur, die ich selbst entwickelt habe.«
    »Ich verspreche es.« Rapp wusste nicht, ob er die Zusicherung jemals würde einhalten können.
    »Warte, ich

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