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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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bin gleich wieder da.« De Castro verschwand. Rapp stand auf und belastete probeweise den Fuß. Es ging schon leidlich, aber noch lange nicht gut. Also setzte er sich wieder auf den Stein. Ein Zeit lang passierte nichts. Ein Paar kam untergehakt an ihm vorbei, beide im Sonntagsstaat, der Mann im Gehrock, seine bessere Hälfte im fischbeinverstärkten Gewand, darüber ein seidenes Schultertuch. Rapp fiel auf, dass besonders die Frau ihm abfällige Blicke zuwarf. Wo der Physikus nur blieb?
    »Ich konnte sie zunächst nicht finden.« De Castro trat aus der Tür, in der Hand eine Krücke haltend. »Die nimmst du. Es geht sich damit sehr viel besser. Wenn du sie nicht mehr brauchst, bringst du sie mir zurück.«
    »Danke, äh, aber das ist nicht nötig«, murmelte Rapp. Er war mittlerweile höchst verlegen ob der großen Hilfsbereitschaft des Arztes.
    »Selbstverständlich ist das nötig.« Der Physikus klemmte Rapp die Krücke unter die rechte Achsel. »Sei froh, dass sie in der Höhe so gut passt. Nun versuche zu laufen.« Rapp gehorchte. Es klappte recht gut. Viel besser jedenfalls, als er vermutet hatte.
    »Und mache den Verband nicht vor Mittwoch ab. Gib der Salbe Zeit, zu wirken.«
    Rapp nickte. »Ich bringe die Krücke bestimmt wieder«, sagte er und tat voller Konzentration ein paar größere Schritte. Als de Castros Antwort ausblieb, blickte er zurück. Der Physikus war verschwunden.
    An der kleinen Bank, die ganz in der Nähe von St. Nikolai zum Sitzen einlud, hatte Rapp einfach nicht vorbeigehen können. Trotz der Krücke war eine Pause notwendig geworden. Er hatte mit der Spitze das Laub von der Sitzfläche geschoben und aufatmend Platz genommen. Eine halbe Stunde saß er nun schon hier, in die kahler werdende Baumkrone über sich starrend und ein paar Meisen beobachtend, die im nahen Gebüsch herumturnten. Immer wieder fragte er sich, ob die Nachtwache davon wusste, dass zwei Männer im Nikolaiviertel getötet worden waren. Rapp schreckte zusammen. Im Turm über ihm schlug die Glocke: fünf Uhr. Wie spät war es eigentlich gewesen, als er an diesem Morgen in den Hammerhai ging? Neun Uhr? Zehn Uhr? Höchstens. Unwahrscheinlich, dass die Stadtbüttel bis zu diesem Zeitpunkt schon vor Ort gewesen waren und die Leichen abtransportiert hatten. Unwahrscheinlich auch, dass sie ihre Untersuchungen schon abgeschlossen hatten, als er dort angelangt war. Nein, vieles, wenn nicht alles sprach dafür, dass die Leichen bereits in der Nacht fortgeschafft worden waren und dass die Nachtwache von alledem nichts ahnte. Warum aber hatte der fette Wirt ihn dann der Spitzelei verdächtigt? Darauf gab es nur eine logische Antwort: Der Dicke hatte Dreck am Stecken. Er hatte etwas zu verbergen. Stand er mit dem Überfall in Verbindung? Rapp zog grübelnd die Stirn in Falten. Das war keineswegs auszuschließen. Blieb nur die Frage, was der Fettwanst und seine Helfershelfer davon hatten, ihm die Kleider zu stehlen, denn auf die paar Schillinge, die er in den Taschen gehabt hatte, konnte er es kaum abgesehen haben. Nein, das machte keinen Sinn.
    Die Meisen balgten sich jetzt. Eine hatte einen Wurm im Schnabel und wurde von den anderen gejagt. Sie hatten es auf die Beute abgesehen. Auch Rapp verspürte Hunger. Er hatte gestern das letzte Mal etwas gegessen, noch vor der Mittagszeit war es gewesen, also an die dreißig Stunden her. Er erhob sich und schob die Krücke unter die Achsel. Die Meisen waren fort. Auch Rapp ging. Er humpelte über den Hopfenmarkt und bewegte sich in Richtung Deichstraße. Langsam wurde es dämmrig. Es war ohnehin kein heller Tag gewesen, und Ende Oktober ging die Sonne schon früh unter. Links und rechts in den Fenstern wurden die ersten Lichter entzündet. Kaum ein Mensch war noch auf der Straße. Rapp ging schneller, nur hundert oder hundertfünfzig Schritte, dann war er zu Hause. Da vorn, da war es schon, sein Apothekenhaus! Nein, er hatte sich geirrt. Die großen unteren Fenster waren erleuchtet, und das konnte nicht sein. Er erinnerte sich genau, gestern Abend alle Lichter gelöscht zu haben, bevor er zum Lüttkoppschen Palais aufgebrochen war. Er musste er noch eine Querstraße weiter. Und doch, es war unzweifelhaft sein Haus! Im Widerstreit der Gefühle hastete Rapp voran. Irgendwer musste in seine Offizin eingebrochen sein, eine andere Erklärung fiel ihm nicht ein. Als er nur noch wenige Schritte von seinem Heim entfernt war, traten dort plötzlich zwei Männer aus der Tür. Rapp schrak zusammen.

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