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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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große Glocke gehängt wurde. Rapp grübelte weiter. Wenn dem so war, durfte er darauf hoffen, dass die Toten verscharrt oder in einem der vielen Fleete versenkt worden waren. Mord und Totschlag kamen in einer Hafenstadt wie Hamburg nicht selten vor.
    Nachdenklich massierte Rapp seine Zehen. Jeder von ihnen tat scheußlich weh. Wenn seine Überlegungen richtig waren, konnte er getrost warten, bis Gras über die Sache gewachsen war. Er konnte wie zuvor als Apotheker arbeiten und die ganze Sache vergessen. Vorausgesetzt, sein Gewissen machte dabei mit. Rapp massierte weiter. Irgendetwas zum Kühlen, das brauchte er jetzt. Er entdeckte einen Holzeimer neben der Kohlenkiste und schaute hinein. Richtig, ein wenig Wasser vom letzten Regen befand sich noch darin. Es war schwarz vom Kohlenstaub, aber Rapp konnte es sich nicht leisten, wählerisch zu sein. Er lehnte sich zurück, tauchte den Fuß in die Flüssigkeit und atmete auf. Wie wohl das tat! Er würde ein wenig warten und dann versuchen, zu seinem Apothekenhaus zu gelangen - und wenn er auf allen vieren dorthin kriechen musste. Bei der Vorstellung an die vertraute Umgebung stieg ein warmes Gefühl in ihm auf. Rapp schloss die Augen. Seine Apotheke ... Nur gut, dass heute Sonntag war und die Offizin geschlossen, so würde gar nicht auffallen, dass er eine Nacht fort gewesen war. Rapp öffnete die Augen wieder und betrachtete die baufälligen Häuser um sich herum. Abermals fiel ihm auf, wie abweisend die Mauern wirkten. Die Menschen darin hatten ihn behandelt wie Dreck. Genau wie der Fettwanst von Wirt. Wie Dreck ... Und dann setzte Rapp sich so abrupt auf, dass der Eimer fast umkippte. Ihm war klar geworden, dass die Ablehnung der Leute denselben Grund hatte wie die des Wirts: Sein Aufzug entsprach nicht seiner Ausdrucksweise. Da also lag der Hase im Pfeffer!
    Der Gesang im Hammerhai wurde heftiger. Wahrscheinlich stieg mit der Lautstärke auch der Bierpegel. Rapps Gedanken wanderten zurück zu dem Fettwanst und seiner Behauptung, er stecke mit der Nachtwache unter einer Decke. Hatte er wirklich die richtigen Schlussfolgerungen daraus gezogen? Das Ganze konnte sich auch so abgespielt haben: Der Tod der beiden Halunken hatte sich wie ein Lauffeuer im Viertel herumgesprochen und die Wache war davon unterrichtet worden. Sie hatte die Leichen abtransportieren lassen und unverzüglich damit begonnen, Erkundigungen einzuziehen. Dabei waren die Ordnungshüter auch in den Hammerhai gegangen und hatten den Wirt befragt, dessen Antworten genauso unergiebig ausgefallen waren wie Rapp gegenüber, weshalb sie wenig später einen Spitzel einsetzten. Jedenfalls nach Ansicht des Wirts. Rapps Zehen schmerzten plötzlich wieder höllisch. Tote, die von der Nachtwache geborgen worden waren, stellten einen offiziellen Fall dar. Weitere Nachforschungen würden unausweichlich sein. Leute würden befragt werden. Viele Leute. Auch die hartnäckigen Schweiger in den umliegenden Häusern. Und bestimmt würde sich einer an Rapp und sein Aussehen erinnern. Und dann, dann würde kein Gras über die Sache wachsen, und er würde ...
    Rapp kam schwankend hoch. Er wollte nach Hause, egal, wie. Er wollte das Wirrwarr in seinem Kopf vergessen, wollte sich in seiner Offizin verkriechen.
    Er blickte auf die hässlichen, leblosen Fassaden, und die Fassaden starrten böse zurück. Da schrie er sie aus Leibeskräften an: »Ich kann nichts dafür, dass ich so rede!«
    Rapp wusste nicht, wie lange er sich humpelnd fortbewegt hatte, als er feststellte, dass vor ihm die Trostbrücke auftauchte. Er war in die falsche Richtung gelaufen. Das war ihm noch nie passiert. Aber er hatte auch noch nie solche Schmerzen gehabt. Seine Zehen brannten, als hielte er sie ins Feuer, und sie brauchten augenblicklich Ruhe, besser noch Kühlung. Erschöpft blieb er stehen. Der Gedanke, den kranken Fuß ins Nikolaifleet zu halten, kam ihm paradiesisch verlockend vor, und das, obwohl die Hamburger Fleete häufig genug wie eine Jauchegrube stanken. Er wollte die Zehen kühlen und dann mit neuer Kraft nach Hause streben. Wenn ihm die Schritte nur nicht so schwer fielen!
    »Das sieht nicht gut aus. Lass mal sehen.« Von der Seite war ein Mann herangetreten, der nun in die Hocke ging, um sich Rapps Verletzung näher anzusehen. »Die Schwellung ist erheblich. Hoffentlich ist keine der Phalangen gebrochen.« Vorsichtig tastete er die Zone ab. Rapp schrie auf.
    Unbeirrt untersuchte der Mann ihn weiter. »Versuche, die Zehen zu

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