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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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»Wie ist überhaupt dein Name?«
    »Ties, Herr Afteker«, sagte der Matrose und stand auf. Er schlenkerte mit den Armen, bis sie trocken waren und machte sich dann an seinem Seesack zu schaffen. Gleich darauf war er wieder zur Stelle, in seiner Hand ein Bündel Werg haltend. Er streckte es Rapp entgegen. »Un ik segg danke.« »Schon gut«, wehrte Rapp ab. »Willst du mir das Werg schenken?«
    Ties stutzte einen Moment. Dann grinste er, wobei er ein vom Scharbock gelichtetes Gebiss entblößte. »Jo, dat will ik.« »Nun, dann her damit.« Rapp wollte nicht unhöflich sein, obwohl altes Putz- und Dichtungsmaterial so ziemlich das Letzte war, was er sich erträumte. Aber der Seemann meinte es ja nur gut. Er nahm das Knäuel und spürte sogleich etwas Hartes. Was war das? Er griff fester zu und unterdrückte einen Ausruf des Schmerzes. Seine Finger hatten etwas Nadelspitzes berührt. Rasch entfernte er das Werg. Und dann sagte er einige Zeit gar nichts.
    Noch nie im Leben hatte er eine so herrliche Gorgonie gesehen. Sie war groß wie ein Fächer, von ebenmäßigem, makellosem Wuchs und versehen mit zahllosen filigranen Verästelungen. Ihre Farbe war von tiefem Rot.
    »Dat is'n Korall«, glaubte Ties erklären zu müssen. »Eine Paramuricea clavata«, murmelte Rapp, der sich von dem Anblick des Hohltiers nicht losreißen konnte. Er kannte es bisher nur von Illustrationen, aber jetzt hatte er es leibhaftig vor Augen. »Ich danke dir, Ties, du machst mir damit eine große Freude. Viel mehr, als du dir vorstellen kannst.« »Jo, jo.« Ties geriet sichtlich in Verlegenheit und blickte zu Boden.
    Mit äußerster Vorsicht verstaute Rapp das Exponat in Mines Korb. Welch ein Gewinn für seinen Thesaurus! Fast konnte das Geschenk über den Verlust der vergangenen Nacht hinwegtrösten. Aber eben nur fast. Rapp kam ein Gedanke, und er fragte in die Runde: »Hat jemand von euch gestern spätabends zufällig drei Burschen mit einer Karre gesehen?« Wie nicht anders erwartet, wurden allseits Köpfe geschüttelt, untermalt von einem vielfachen »Nö, worum?«. Gleichzeitig erscholl vom Kai her ein Ruf: »Ahoi, Noordenwind!« Und nochmals, diesmal lauter: »Ahoi, Noordenwind!« Das klang nach Klaas. Rapp sagte: »Ach, nichts, ich muss nun weiter. Nochmals danke, Ties.« Er grüßte und trat hinaus ans Schanzkleid. Ja, da stand er, der Hüne, immer noch die Verbände tragend, aber bester Laune. Er winkte hinauf. »Hööö, Teo! Dor bist du, Mannomann, un ik söök di as'n Nadel in'n Hauhupen! Wo geiht di dat?«
    »Goot!« Rapp merkte nicht, dass er zum ersten Mal eine Antwort auf Platt gegeben hatte. »Aber viel wichtiger ist, wie es dir geht.«
    »Goot. Ober ik heff Dörst.«
    »Ich komme runter.« Rapp drückte Düke, der ihn begleitet hatte, die Hand, wünschte ihm alles Gute und verließ das Schiff. Er hatte es eilig, nicht so sehr, weil Klaas auf ihn wartete, sondern weil er in einiger Entfernung den Steuermann in Begleitung eines hoch gewachsenen Mannes herankommen sah. Beide brauchten nicht zu wissen, dass er sich so lange an Bord aufgehalten hatte. Dies umso mehr, als er nicht wusste, was der Kapitän zu seiner Arzttätigkeit sagen würde. Die nicht ganz uneigennützige Hilfe versprach zwar manchmal ein schönes Exotikum, barg aber auch Gefahren, da Rapp weder Physikus noch approbiert war.
    »Ik heff'n Buddel mit«, sagte Klaas grinsend und öffnete seine Seemannsjoppe einen Spalt breit, »kiek, hier, wullt du'n Lütten hebben?«
    »Nein, nein. Komm mit.« Rapp drängte den Hünen in Richtung Binnenhafen. Sie gingen am Baumhaus vorbei zur Schaartorbrücke, wo sie an der Uferbefestigung ein Plätzchen zum Verweilen fanden. Rapp ließ sich das verbundene Handgelenk zeigen und stellte zu seiner Beruhigung fest, dass die Blutung nicht erneut ausgebrochen war. Er beschloss, die Verletzung nicht zu untersuchen, sondern dem Heilprozess weiter seinen Lauf zu lassen. »Und was macht die Schulter?«, fragte er.
    »Allerbest, allens allerbest, Teo.«
    »Na, Gott sei Dank.« Rapp stand auf. Für längeres Sitzen war es zu kalt. »Gibt es jemanden, der dir morgen den Verband erneuern könnte?«
    »Nö, ober dat kann ik alleen, Teo.«
    »Nun, gut.« Ohne es abgesprochen zu haben, gingen sie weiter nach Osten, immer an der Nordseite des Binnenhafens entlang. Irgendwann passierten sie den Liekedeler, vor dem Klaas seine Verletzungen erlitten hatte, was ihn aber nicht davon abhielt, sofort wieder hineingehen zu wollen. Rapp konnte das gerade

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