Tod im Apotherkerhaus
noch verhindern, indem er ihn fragte, ob er etwas über die Halunken von gestern Abend gehört hätte. Das hatte Klaas natürlich nicht, aber ihn interessierte, was daran so wichtig wäre. Es hätte doch Spaß gemacht, und die Messerstiche wären nicht mehr als Kratzer gewesen.
Rapp erklärte es mit dürren Worten, und je mehr er erzählte, desto wütender wurde der Hüne auf das Diebespack. Rapp besänftigte ihn, so gut es ging, und bat ihn, er möge die Augen offen halten. Für den Fall, dass er die Halunken oder den Karren irgendwo entdeckte, solle er im Armenviertel um St. Jakobi nach Opas Hof fragen. Dort könne er ihn, Teo, finden. Klaas versprach alles hoch und heilig und wollte nun endgültig in den Liekedeler, Rapp dabei mit sich zerrend, doch dieser wehrte sich erfolgreich. »Lass gut sein, Klaas«, sagte er, »ich habe noch etwas Besseres vor.«
»So, hest du dat?« Klaas konnte sich nicht vorstellen, was das sein mochte, gab aber seinen Freund Teo frei, nahm dessen Rechte und bearbeitete sie wie einen Pumpenschwengel. »Na, denn holl di stief!« Dann enterte er die Schänke.
Rapp eilte zu seinem Apothekenhaus. Bisher war sein Unterfangen erfolgreicher als erhofft verlaufen, und er wünschte sich sehnlichst, dass es so weitergehen möge. Nochmals beschleunigte er seinen Schritt. Der große Augenblick rückte näher. Alles würde davon abhängen, wie überzeugend er auftrat. Und natürlich von der Wirkung der Paramuricea clavata in Mines Korb. Vielleicht auch von dem Lippenpflock. Mit pochendem Herzen bog er in die Deichstraße ein. Das vertraute Gebäude kam in Sicht. Ja, da stand sie, seine Apotheke mit dem schwarzen Pferdekopf. Sein Zuhause. Seine Wirkungsstätte.
Und davor stand Albertine Kruse, schimpfend und Selbstgespräche haltend. Was hatte das zu bedeuten?
Einem ersten Antrieb folgend, wollte Rapp auf seine alte Kundin zugehen und sie fragen, warum sie nicht eintrat, aber dann besann er sich. Es war nicht ratsam für das, was er vorhatte. Also hielt er sich zurück, stellte sich in unmittelbarer Nähe hinter drei tuschelnde Weiber und spitzte die Ohren. Es war nicht leicht, dem Kruse'schen Wortgetöse zu folgen, aber er hörte der Witwe nicht zum ersten Mal zu, und so konnte er ungefähr Folgendes verstehen:
»Unerhört-ist-das-wieso-ist-die-Apotheke-schon-zu-wieso-schon-zu?« Die Witwe rüttelte energisch an der Türklinke, aber umsonst. »Der-Herr-Apotheker-weiß-doch-dass-ich-immer-Probleme-mit-meiner-Reizblase-habe-unerhört-ist-das-vor-elf-macht-er-nicht-auf-und-um-drei-schon-wieder-zu-uner-hört-unerhört!«
Diese Information war in der Tat sehr wichtig für Rapp. Der Imitator erschien also nicht vor elf Uhr, und um drei Uhr am Nachmittag verließ er bereits wieder das Haus. Hier handelte es sich um Öffnungszeiten, die keineswegs statthaft waren. Ein Apotheker hatte die Aufgabe, die Versorgung der Bürger mit Arzneien zu gewährleisten, und wenn er das nicht tat, konnte er sich erheblichen Ärger einhandeln. Das musste auch dem Imitator bekannt sein. Er hatte somit nur zwei Möglichkeiten: Entweder es gelang seinen Helfershelfern, den Thesaurus innerhalb weniger Nächte komplett zu entwenden, noch ehe Kunden wie Albertine Kruse sich bei den Behörden beschwerten, oder er musste tagsüber länger bleiben. Oder aber ... nein, so weit war es noch nicht. Sein Aberglaube verbot Rapp, den Gedanken weiter zu spinnen.
Immer noch schimpfend betätigte die Witwe abwechselnd Türklopfer und Klinke und gab dann die Belagerung auf. Rapp sah, wie sie davonzog. Da ging auch er. Morgen früh würde er es noch einmal versuchen.
»Sie ist mächtig schön, Teo! Viel schöner als der Lippenpflock.
So schön wie ... wie eine Baumkrone im Winter.« Mine saß am Tisch und hielt die Gorgonie gegen das Abendlicht im Fenster.
»Aber sie ist rot«, verbesserte Isi, »und rote Baumkronen gibt's nicht.«
»Aber schwarze Korallen«, sagte Rapp.
Mine beachtete die beiden nicht. Immer noch verzaubert von dem Naturgebilde, fragte sie: »Und was willst du mit der Gorgonie machen, Teo?«
Rapp räusperte sich. »Ach, nun ... mal sehen.« »Hängt's wieder mit dem Aberglauben zusammen, dass du nix sagen willst?« »Um ehrlich zu sein, ja.«
»Aberglaube ist was für alte Leute, meint der Pfarrer«, sagte Isi. Fixfööt sagte gar nichts. Er war vollauf damit beschäftigt, der von Mine gekochten Abendmahlzeit zuzusprechen. Es gab einen kräftigen Reste-Eintopf, der durch Kleingeschnittenes vom Rossschiachter
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