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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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hat ein Haus in der Nähe von St. Nikolai. Sein Name ist Doktor Fernäo de Castro.« Rapp beschrieb genau den Weg dorthin. Als er sicher war, dass der Matrose alles begriffen hatte, wandte dieser sich um und nahm erneut Kurs auf seine Hängematte. Rapp wollte schon protestieren, da kam Pitt zurück und gab ihm etwas in die Hand. Dann verließ er schnell das Logis. Rapp betrachtete den Gegenstand. Es war ein mit Muscheln verzierter Lippenpflock — ein Schmuckstück jenes Volkes, das von den Indianern abfällig Eskimos, also Rohfleischesser, genannt wurde. Rapp wusste nicht viel über diese Menschen, nur dass sie ständig in Schnee und Eis lebten und dass bei ihnen im Winter die Sonne niemals aufging. Darüber hinaus sollten sie tüchtige Jäger und Kajakfahrer sein. Er hielt den Lippenpflock ins Licht und entdeckte darauf eine winzige eingeritzte Figur, die aussah wie ein Rentier. »Hübsch«, sagte er. »Von wem Pitt wohl den Gegenstand hat?«
    Rapp hatte eigentlich keine Antwort erwartet, umso überraschter war er, als Düke sagte: »Die Sache mit dem Lippenpflock, Herr Apotheker, ist eine lange Geschichte. Pitt gewann ihn beim Würfeln von einem spanischen Seemann, der ihn wiederum von einem alten Eskimo hatte. Der Eskimo saß vor seiner Hütte, als der Spanier mit ihm ins Gespräch kam. Wie die beiden sich verständigten, weiß ich nicht, jedenfalls hatte der Eskimo das Fell eines Eisbären um seine Beine geschlungen, gegen die Kälte, wie er sagte. Der Spanier wunderte sich, denn er fand es gar nicht so kalt. Es war gerade Sommer da oben und die Temperaturen recht erträglich. Deshalb sagte er wohl so etwas wie: Er hätte immer gedacht, die Inuit, so nennen die Eskimos sich selbst, wären von allen Menschen dieser Welt am tapfersten im Ertragen von Kälte, aber nun könnte er das nicht mehr glauben. Daraufhin erwiderte der Alte, die Inuit wären nicht nur darin die Tapfersten, sondern auch die Besten in der Fähigkeit, ohne Nahrung zu überleben.
    Der Spanier bezweifelte das. Ein Wort gab das andere. Schließlich wurde der alte Eskimo ungehalten, und er sagte, er würde dem Spanier eine Geschichte erzählen, die dieser nie und nimmer glauben würde. Und trotzdem sei sie wahr. Der Spanier sagte, etwas zu behaupten wäre das eine, es zu beweisen das andere. Darauf käme es an.
    Der Alte sagte, das könnte er. Und in dem Fall hätte er gern ein Stückchen Rollentoback.
    Der Spanier willigte ein. Allerdings wollte auch er etwas haben, wenn es dem Alten nicht gelänge, ihn zu überzeugen.
    Dem Eskimo fiel daraufhin nichts ein. Da deutete der Spanier auf den Lippenpflock des alten Mannes und sagte, er würde sich mit dessen Mundzier zufrieden geben.
    Der Eskimo war einverstanden und begann mit der Geschichte. >Es ist viele Jahre her<, sagte er, >fünfmal so viele Jahre, wie jeder Mensch Finger hat. Da fuhr ein Jäger mit seinen Hunden zur Robbenjagd. Es war ein junger, starker Mann, der die Kunst des Jagens vorzüglich beherrschte. Drei Tage fuhr er nach Norden, bis er endlich sein Ziel erreicht hatte. Jene Fanggründe, die damals als die besten galten. Doch die Geister meinten es nicht gut mit ihm. Sie ließen nicht zu, dass er etwas erlegte. Nicht eine einzige Robbe. Er bot seine ganze Kunst auf, seine ganze Erfahrung, die sein Vater und der Vater seines Vaters an ihn weitergegeben hatten. Er war geschickt, erfahren, geduldig, doch es war alles umsonst. Außer ein paar Fischen fing er nichts. Er aß die Leber der Fische und die anderen guten Innereien und gab den Rest seinen Hunden.
    Mittlerweile war ein Mond vergangen. Der junge Jäger war bereits abgemagert, denn das Leben im Eis ist hart. Aber er wollte nicht aufgeben. Am Abend dieses Tages zog er sich in sein selbst gebautes Schneehaus zurück und nahm sich fest vor, am nächsten Morgen etwas zu fangen.
    Doch am anderen Tag konnte er sein Iglu nicht verlassen, weil ein Schneesturm über Nacht aufgezogen war. Der Sturm war so stark, wie der junge Mann es noch nie erlebt hatte. Er hatte haushohe Schneeverwehungen aufgeworfen, unter denen seine Hunde fast erstickt wären. Er grub sie mit den Händen aus, denn neben seinem Schlitten und seinen Waffen waren sie sein kostbarster Besitz. Weil der Sturm an Stärke nochmals zugenommen hatte, nahm er die Tiere mit in sein Schneehaus. Dort ließ es sich ertragen. Eine Tranlampe schenkte Licht und etwas Wärme. Die Nähe der Hunde tat ihm gut. Er musste nur noch das Ende des Sturms abwarten, dann wollte er wieder sein

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