Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
Abend erlebt hatte. Nur seinen kleinen Schwächeanfall, den verschwieg er, damit sie sich keine Sorgen um ihn machte.
»Klingt aufregend«, sagte sie schließlich und legte ihr Besteck auf den leeren Teller. »Schade nur, dass ich darüber nicht im Bayerischen Rundfunk berichten darf. Das gäbe eine gute Story. Morgen Nachmittag moderiere ich ja wieder die Regionalnachrichten auf Bayern 1.«
»Untersteh dich«, drohte er.
»Da hättest du dir halt keine Journalistin anlachen dürfen«, sagte sie keck. »Aber Spaß beiseite. Hast du dich mit dieser Aufgabe nicht ein bisschen übernommen? Du kennst dich doch überhaupt nicht aus mit Spurensicherung und dem ganzen ermittlungstechnischen Kram.«
»Das stimmt schon«, gab er zu, »aber ich wollte einfach meinen alten Doktorvater nicht hängen lassen. Außerdem glaube ich nicht, dass Fingerabdrücke und solche Sachen hier groß weiterhelfen. Die Bücher sind ja schließlich nicht mehr da. Und ich habe nirgendwo Zeichen von Gewalteinwirkung entdecken können. Kein aufgebrochenes Schloss. Nichts.«
»Zumindest versteht du von Büchern eindeutig mehr als die Polizei. Was hast du vor, um den Dieb aufzuspüren?«
Beaufort nahm die Flasche aus dem Kühler und goss Wein nach. »Lassen wir das Wie mal beiseite und fragen uns nach dem Warum . Warum nimmt jemand das Risiko auf sich und stiehlt Bücher aus diesem Hochsicherheitstrakt von Bibliothek?«
»Weil sie wertvoll sind und er sie zu Geld machen kann. Oder weil er so ein verrückter Buchsammler ist wie du«, kam Annes lässige Antwort.
»Ich habe in meinem ganzen Leben noch kein Buch gestohlen. Aber im Grunde bist du auf der richtigen Fährte, denke ich. Entweder ist es ein manischer Sammler, der vor keinem Diebstahl zurückschreckt, oder es ist einer, der die Bücher und Grafiken für jemand anderen stiehlt, der seinerseits ein Sammler sein muss. Warum sonst bräuchte er ein völlig veraltetes Chirurgielehrbuch oder eine vergilbte Kafka-Erstausgabe, wo er sich doch aktuellere Editionen in jedem Buchladen kaufen könnte?«
»Damit landen wir also in beiden Fällen bei einem kriminellen Liebhaber alter Bücher«, stellte die Journalistin fest.
»So ist es. Und in diesen Kreisen kenne ich mich als Vorsitzender der Fränkischen Bibliophilen ja ziemlich gut aus. Die meisten Buchsammler hier in der Gegend sind mir schon über den Weg gelaufen. Ich werde mich mal bei Freunden und Bekannten aus dem bibliophilen Umfeld erkundigen, ob sie gehört haben, dass jemand bestimmte rare Bücher sucht oder damit prahlt, seltene Neuerwerbungen gemacht zu haben.«
»Kein schlechter Plan, aber der dürfte ein paar Tage in Anspruch nehmen. Wir sollten auch das Wie nicht vernachlässigen, finde ich.«
»Wir?«, fragte Beaufort süffisant. »Du machst also mit bei den Recherchen?«
»Du weißt doch, dass mir so etwas auch Spaß macht. Außerdem soll man seine Lieben unterstützen, wo immer mankann. Und besser, du hast eine sinnvolle Aufgabe, als dass du dich wie ein reicher Bonvivant nur so durch den Tag treiben lässt.« Anne schob den Spaghettiträger ihres Tops hoch, der von ihrer Schulter gerutscht war.
»Ich bin ein reicher Bonvivant«, stellte er sachlich fest.
Sie verfolgte ihren Gedanken weiter. »Beim Wie gibt es übrigens auch nur zwei Möglichkeiten: Entweder kam jemand von draußen oder von drinnen.«
»Genau. Und ich neige zu der Ansicht, dass es ein Mitarbeiter oder ein Benutzer war. Die Alarmanlage machte einen sicheren Eindruck auf mich. Außerdem glaube ich kaum, dass es jemand wagt, mitten in der Erlanger Innenstadt eine Leiter an die UB zu stellen, um durch ein Fenster in den zweiten Stock einzubrechen, das auch noch elektronisch gesichert ist.«
»Fragt sich nur, wer vom Personal es sein könnte. Am besten lässt du dir eine Aufstellung aller Mitarbeiter und ihrer Dienstzeiten geben. Da muss natürlich auch draufstehen, welche Mitarbeiter welche Schlüssel haben und in welche Magazine dürfen. Damit lässt sich der Kreis der Verdächtigen schon mal einengen.« Anne schaute in das abwesende Gesicht ihres Freundes. »Frank, hörst du mir überhaupt zu?«
»Klar höre ich dir zu«, beteuerte er. »Das habe ich sowieso vorgehabt.« Er schaute sie grübelnd an. »Ich musste bloß gerade an diesen Schweizer denken, von dem ich dir erzählt habe. Der war über den Diebstahl der Dürer-Grafik überhaupt nicht erstaunt und hat einen rätselhaften Satz geäußert, der mir nicht aus dem Kopf geht. Er sagte, dass in den
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