Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
größeren Beaufort herzlich und ausgiebig die Hand. »Sie müssenwissen«, wandte er sich aufgeräumt an die Runde, »dass dieser Mann hier einer meiner begabtesten und scharfsinnigsten Doktoranden war. Zu schade, dass er sich nie für eine Karriere an unserer Alma Mater erwärmen konnte. Er wäre ein hervorragender Hochschullehrer geworden.«
»Ich glaube, da täuschen Sie sich, lieber Professor. Für eine universitäre Laufbahn sind meine Interessen zu vielfältig und mein Ehrgeiz zu gering.«
Harsdörffer lachte laut und glucksend, wobei sein dicker Bauch in der von Hosenträgern gehaltenen hellen Leinenhose in Wallung geriet.
»Die Vielseitigkeit Ihrer Interessen gebe ich Ihnen gern zu. Schon damals konnten Sie sich in der Literaturwissenschaft für alte Handschriften ebenso begeistern wie für moderne Lyrik. Doch in puncto Ehrgeiz muss ich Ihnen widersprechen. Wer macht denn gerade in allen Zeitungen von sich reden, was die Aufklärung kapitaler Verbrechen anbelangt? Nicht jeder kann von sich behaupten, einen veritablen Serienmörder zur Strecke gebracht zu haben. Aber für Mord und Totschlag hegten Sie ja von jeher ein großes Interesse. Schon Ihre Doktorarbeit über den Gentleman-Detektiv in der Kriminalliteratur ist ein Beweis für diese Leidenschaft.«
»Zu viel der Ehre«, wehrte Beaufort ab, »ich habe nur ein paar Nachforschungen angestellt und ein paar richtige Schlüsse daraus gezogen. Und was den Serienkiller anbelangt, war es eher so, dass nicht ich ihn, sondern er mich am Wickel hatte. Ich versichere Ihnen: Das war keine angenehme Erfahrung.«
»Bescheiden wie eh und je.« Harsdörffer klopfte Beaufort munter auf die Schulter, wobei er sich ganz schön strecken musste. »Aber kommen Sie, Sie beide müssen unbedingt das Storchenbier probieren, bevor Sie sich unter die Gäste mischen.«
Der Professor zapfte persönlich je eine Halbe für die Neuankömmlinge. Als er Beaufort den Krug reichte und der sichein wenig hinabbeugte, um das Bier mit einer angedeuteten Verbeugung in Empfang zu nehmen, flüsterte Harsdörffer ihm ernst zu: »Wenn sich die Reihen hier gelichtet haben, erwarte ich Sie in meiner Bibliothek zu einem Vieraugengespräch. Ich brauche dringend Ihre Hilfe.« Doch schon im nächsten Augenblick wandte er sich fröhlich um und rief einem sauertöpfisch dreinblickenden hageren Mann im grauen Anzug mit Fliege fidel zu: »Treten Sie näher, Professor Gäbelein. Lassen Sie sich diesen köstlichen Trunk nicht entgehen. Ein unfiltriertes helles Landbier. Streng gebraut nach dem Bayerischen Reinheitsgebot. Kaum zu glauben, welch phänomenale Geschmacksnuancen sich erzeugen lassen, wenn man lediglich Hopfen, Malz und Wasser zusammenfügt.«
Beaufort schaute seinem davontänzelnden Doktorvater hinterher. Harsdörffer hatte das Temperament eines Sanguinikers, der seine Feingeistigkeit gern hinter einer lärmenden Fassade versteckte. Doch er kannte ihn lange genug, um zu wissen, dass ihn ernsthafte Sorgen plagen mussten. Womöglich finanzieller Art? Seitdem Beaufort nach dem plötzlichen Tod seiner Eltern ein Spielwarenimperium geerbt und kurz darauf gewinnbringend verkauft hatte, galt er als einer der reichsten Junggesellen im Land. Vielleicht brauchte Harsdörffer einen Privatkredit? Oder hatte er gesundheitliche Probleme? Seine Gesichtsfarbe war mehr rot als rosig und ließ auf einen zu hohen Blutdruck schließen. Was immer es war, bald würde er schlauer sein. Er prostete Daniel zu, der ihn etwas scheel von der Seite anschaute. Brach da gerade wieder die alte Eifersucht durch? Er und Daniel hatten zur selben Zeit beim Professor ihre Doktorarbeit geschrieben, aber Harsdörffer hatte schon immer ein besonderes Faible für Beaufort gehabt und ihn stets bevorzugt. Während ihm die Dinge, die ihn interessierten, zuzufallen schienen und er mitunter sogar Anfälle von Brillanz zeigte, musste sich Kempf alles hart erarbeiten. Seit Jahren hangelte er sich von Assistentenstelle zuAssistentenstelle, ohne dabei seine Habilitation zu beenden. Wenigstens war Daniel der bessere Fechter.
In den folgenden beiden Stunden führte Beaufort angeregte Gespräche mit einer Professorin für Neurochirurgie, einem koreanischen Austauschstudenten, dem Leiter der Antikensammlung, einem ständig Witze reißenden Theologen und zwei äußerst attraktiven Buchwissenschaftlerinnen. Und weil er sich blendend amüsierte und es ein so wunderschöner lauer Sommerabend war, vergaß er für heute mal die guten Vorsätze und
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