Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
trank noch zwei Halbe von dem süffigen Bier.
*
Als die meisten Gäste gegangen waren und nur noch ein harter Kern von sechs Leuten eifrig die neuen Reformen des Hochschulpräsidenten diskutierte, trat der Hausherr an Beaufort heran. »Ich denke, wir können uns jetzt in die Bibliothek zurückziehen. Danke, dass Sie so lange ausgehalten haben.«
»Nicht doch. Ich habe mich ausgezeichnet unterhalten. Es war ohne Frage ein schweres Versäumnis von mir, Ihrem legendären Jour fixe so lange ferngeblieben zu sein. Ich verspreche, Ihnen in Zukunft wieder häufiger die Aufwartung zu machen.« Beaufort konnte sich nicht erklären, warum er in Gegenwart des Professors immer dessen geschraubten Jargon annahm.
»Ich baue darauf. Sie sind stets ein gern gesehener Gast in meinem Hause. Das wissen Sie ja.«
Durch eine schwere Eichentür, die Harsdörffer sorgfältig wieder hinter ihnen schloss, betraten sie die Privatbibliothek. Es war eine richtige Gelehrtenstube mit meterhohen Bücherwänden rundum, einem großen Schreibtisch und zwei dunkelgrünen Ledersesseln, in denen sie Platz nahmen. Während der Professor seinem Besucher einen alten französischen Cognac aufnötigte und die beiden Gläser einschenkte, schaute Beaufort sich eifrig um.
»Ihre Bibliothek ist um einiges gewachsen seit meinem letzten Besuch«, stellte er anerkennend fest.
»Ihre doch gewiss auch. Unter all meinen Studenten waren Sie immer der größte Büchernarr. Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie meine Sammlung mittlerweile übertroffen haben.«
»Wie sollte mir das je gelingen?«, entgegnete Beaufort liebenswürdig. Doch war das eine höfliche Heuchelei. Beauforts Bibliothek war mittlerweile nicht nur doppelt so groß, sie beherbergte auch exquisite Schmuckstücke, die hier nicht zu finden waren. Aber er konnte seinem alten Lehrmeister, der ihn in die Kunst der Bibliophilie eingeführt hatte, ja schlecht gestehen, dass er ihn schon längst überflügelt hatte.
»Sie sind ein charmanter Schwindler, Beaufort. Ich bin mir sicher, dass Ihre Bibliothek quantitativ und qualitativ die meine bei Weitem überragt. Schließlich haben Sie nicht nur das Interesse und die Fähigkeiten, sondern auch die nötigen finanziellen Mittel zum Aufbau einer einzigartigen Sammlung.« Er erhob sein Glas. »Auf die Bücher und ihre verständigen Leser.«
Beaufort trank einen Schluck des erlesenen Cognacs, der ihm sanft in der Kehle brannte. Also daher wehte der Wind. Harsdörffer musste wirklich Geldsorgen haben. Warum kam er sonst auf Beauforts Reichtum zu sprechen? Der Erhalt dieses alten Hauses verschlang bestimmt Unsummen. Vielleicht wollte der Professor ihm ja sogar einen Teil seiner Bibliothek zum Kauf anbieten? Das sah doch nach einer vielversprechenden Unterredung aus, fand er.
»Womit wir auch schon beim Thema wären. Ich benötige nämlich Ihre Hilfe in einer äußerst delikaten Bücherangelegenheit, die natürlich unter uns bleiben muss. Kann ich mich auf Ihr Stillschweigen verlassen?«
»Diskretion ist mein zweiter Vorname«, beteuerte Beaufort. Gleich würde er ihm ein Kaufangebot vorlegen, da war er sich sicher. Schon überschlug er den Preis, den er für dieBücher zu zahlen bereit war, die ihn hier am meisten interessierten.
»Wahrscheinlich ahnen Sie es längst: Ich bedarf Ihres kriminalistischen Spürsinns.«
»Ach, wirklich?« Beaufort war konsterniert. Harsdörffers Bücher, die er in seiner Sammelgier schon im Geiste um sich gestapelt hatte, schwebten wieder in ihre Regale zurück.
»Wie Sie ja wissen, leite ich seit Jahren die Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek. Eine echte Schatzkammer voller mittelalterlicher Manuskripte, unersetzlicher Inkunabeln, einmaliger Zeichnungen und wertvoller Grafiken. Da wir die menschlichen Schwächen natürlich kennen und wissen, dass solche Kostbarkeiten unerlaubte Begehrlichkeiten wecken können, haben wir eine Reihe von Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Die Handschriftenabteilung ist bestens geschützt. Aber dennoch ist es einem unbekannten Subjekt gelungen, in das Innerste einzudringen.« Harsdörffer schlug ärgerlich mit der Hand auf die Sessellehne. »Wir werden bestohlen!«
»Wie ist das möglich?« Beaufort wusste noch aus Studienzeiten, dass sich dort jeder Besucher anmelden und registrieren musste, mit den für seine Arbeit benötigten Preziosen im Lesesaal quasi eingeschlossen wurde, die ganze Zeit über unter Beobachtung stand und seine Taschen durchsuchen lassen musste, ehe er
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