Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
keinesfalls auf Kommissar Schnappauf treffen lassen. Wenn der herausbrachte, dass er sich hier als Polizist ausgab und Schifferlis Handy hatte, war er geliefert. Dann bekam er hundertprozentig ein Strafverfahren an den Hals. Dafür würde der Ordnungshüter schon sorgen – und es mit Wonne auskosten.
»Das ist leider nicht möglich. Das Büro von Herrn Schifferli wurde amtlich versiegelt«, fantasierte er. »So stellen wir sicher, dass nichts verändert wird, falls wir doch umfangreichere Ermittlungen durchführen müssen.«
»Und wie lange dauert das? Ich brauche dringend Klarheit.«
»Das könnte schon eine Woche dauern. Aber wenn Sie mir eine Liste der getrockneten Pflanzen geben, werde ich nachschauen, ob alle noch da sind.«
Frau van der Veldt dachte kurz nach. »Gut. Das ist eine Möglichkeit. Geben Sie mir Ihre Mailadresse, Herr Müller, dann schicke ich Ihnen die Aufstellung noch heute Abend zu.«
Schon lauerte die nächste Falle. Wie sollte er an ein Müller-Postfach bei der Polizei herankommen? So langsam redete er sich um Kopf und Kragen. »Oh, das ist nicht nötig. Ich hole die Liste einfach morgen im Laufe des Tages hier ab.« Er lächelte übertrieben freundlich. »Sie wissen ja: die Polizei, dein Freund und Helfer.«
*
Das war gerade noch mal gut gegangen. So schnell wie möglich verließ Kommissar Müller den Botanischen Garten und eilte quer durch den Schlosspark, um in der Nähe des Kollegienhauses als Frank Beaufort erschöpft auf eine schattige Parkbank zu sinken. Allzu häufig sollte er sich in nächster Zeit lieber nicht mehr dort blicken lassen. Das könnte peinlich enden. Aber die Liste würde er sich morgen ganz sicher noch holen. Denn »unersetzlicher Genpool« klang für ihn als passionierten Krimikenner irgendwie nach dunklen Machenschaften von Pharmaforschung, Futtermittelindustrie oder Biotechnikkonzernen.
Die Sonne stand hoch am Himmel, und es war heiß. Überall im Gras sah er junge Menschen sitzen und liegen, in Gruppen diskutierend, still lesend oder einfach nur sonnenbadend. Doch er kehrte seine Augen vom beschaulichen studentischen Treiben wieder ab, um sie schweren Herzens der modernen Technik zuzuwenden. Er angelte Schifferlis Telefon aus der Tasche und versuchte, dem Smartphone irgendwelche Informationen zu entlocken. Am meisten interessierte ihn natürlich, ob er darin ein elektronisches Notizbuch mit den Terminen des Kurators finden würde, doch er schaffte es noch nicht mal bis zu der Stelle, wo man einen Code eingeben musste, so wenig Ahnung hatte er von der Bedienung eines Handys ohne Tasten. Das Telefon blieb einfach schwarz, so viel er auch mit den Fingern über das Display hinwegstrich. Vielleicht konnte Anne ihm weiterhelfen. Allerdings wusste er nicht, ob sie heute Abend bei ihm oder bei sich übernachten wollte.
Eine Fahrradklingel schreckte ihn aus seinen Gedanken. Daniel Kempf radelte unerlaubterweise durch den Park in Richtung des Botanischen Gartens und winkte ihm im Vorbeifahren zu. Er machte ein paar Fechtbewegungen in der Luft, wohl um ihm zu signalisieren, dass er bis nächsten Dienstag noch Angriffe üben sollte, und verschwand hinter einer Gruppe von Bäumen. Sport war das Letzte, woran Beaufortjetzt denken wollte. Im Gegenteil: Er verspürte Hunger und Durst und brauchte dringend eine Stärkung. Sofort hatte er das Bild einer appetitlichen Leberkässemmel mit viel Senf drauf vor Augen. Also verließ er den Schlossgarten und ging zur Universitätsstraße, um sich von dort aus auf die Suche nach einem Metzger zu machen. Doch als er in etwa zwanzig Metern Entfernung einen schlaksigen tätowierten Studenten wiedererkannte, der mit einem Leinenbeutel unter dem Arm im Kollegienhaus verschwand, fiel ihm siedendheiß ein, dass er ja noch bei der Leiterin der Universitätsbibliothek vorbeischauen musste, um sich die Liste der gestohlenen Bücher abzuholen. Diesen Fall hatte er angesichts der heutigen Ereignisse ganz aus den Augen verloren. Er musste dringend herausfinden, ob der Bücherdiebstahl und der tödliche Sturz womöglich etwas miteinander zu tun hatten oder ob das zwei getrennte Verbrechen waren.
Frank betrat die alte Universitätsbibliothek, deren Vorhalle ihm nach seinem Besuch im Anatomischen Institut nicht mehr ganz so prachtvoll vorkam, und ging hinauf in die erste Etage. Gleich links im Vorzimmer erfuhr er von der Sekretärin, dass Frau Dr. Krüger-Fernandez schon nach ihm gefragt habe.
Beaufort klopfte, öffnete die für Chefbüros
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