Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
Treppenhaus mit einem schönen schmiedeeisernen Geländer in den ersten Stock hinauf und nahmen in dem hellen Büro des Professors Platz, von dem aus der Blick über Bamberg noch schöner war. Der Raum war geschmackvoll mit edlen alten Möbeln und teurer moderner Kunst eingerichtet und gefiel Beaufort auf Anhieb. Ein Mitarbeiter servierte Espresso und eisgekühltes Mineralwasser.
»Wie kann ich Ihnen also behilflich sein?«
Anne zog ihr Aufnahmegerät aus der Handtasche. »Ich arbeite an einem längeren Bericht über die Sammlungen der Erlanger Universität.« Tatsächlich hatte sie heute Morgen den Leiter der Featureabteilung davon überzeugen können, eine Stundensendung für Bayern 2 über das Thema machen zu dürfen. »Arbeitstitel: Weggeschmissen wird nichts. Von der Sammelleidenschaft einer Universität. «
Corrodi schmunzelte. »Ein interessanter Titel. Natürlich werfen wir nichts weg, was noch irgendwie von Nutzen sein könnte, nur manchmal ist das schwer zu entscheiden. Eine Universität muss zwar nach vorne schauen, doch hat sie auch die Aufgabe zu bewahren, ähnlich wie ein Museum. Denn Zukunft braucht Herkunft. Jede Sammlung an dieser Universität dokumentiert die Entwicklung der Wissenschaft. Ich glaube, wenn eine Universität das Sammeln vergisst, dann vergisst sie auch ihre Geschichte und hat irgendwann ihren Sinn verloren.«
Der Professor war ein kluger und eloquenter Interviewpartner. Einer, der über den Tellerrand seiner Wissenschaft weit hinausblickte. Das zeigten Beaufort schon die vollen Bücherregale hier, in denen sich Werke verschiedenster Fachrichtungen fanden, vor allem philosophische, historische und kunstgeschichtliche.
»Was sammeln Sie hier eigentlich?«, fragte Anne, »Sterne können es ja wohl nicht sein.«
Der Professor führte seine Espressotasse mit abgespreiztem kleinen Finger zum Mund und trank sie leer. »Doch, genau die sammeln wir. Wir holen sie sogar vom Himmel. Zumindest ihr Abbild. Aber das zeige ich Ihnen am besten bei einem kleinen Rundgang.«
Sie verließen die Villa und gingen durch den sonnendurchfluteten Park zu dem ehemaligen Hausmeistergebäude. Dort schloss Corrodi die Haustür auf. Innen war es warm und rochmuffig. Der Raum stand voller massiver Stahlschränke. Corrodi öffnete den nächstgelegenen, zog einen kleinen, schweren Karton hervor und entnahm ihm eine der quadratischen Glasplatten, die er enthielt. Sie war etwa fünfzehn mal fünfzehn Zentimeter groß und zeigte winzig kleine schwarze Punkte.
»Das sind unsere Sterne. Hier sehen Sie ein Glasnegativ vom südlichen Sternenhimmel aus den späten Sechzigerjahren. Davon besitzen wir rund sechsunddreißigtausend Stück. Auf diesen Glasplatten haben unsere Astronomen in Bamberg und in Bloemfontain in Südafrika mehrere Jahrzehnte lang bis in die Siebzigerjahre hinein systematisch bestimmte Himmelsegmente immer wieder aufs Neue durch das Teleskop fotografiert. Hier ist die Geschichte des Himmels bewahrt. Die Platten zeigen mitunter Phänomene, die auch zukünftig noch interessant sein könnten.«
»Zum Beispiel?«, wollte Anne wissen.
»Pulsierende Sterne oder Doppelsterne etwa, die sich durch Helligkeitsveränderungen nachweisen lassen. Wir haben dafür noch eine alte Maschine, einen Blinkkomparator. Aber mittlerweile sind die Fotoglasplatten fast alle digitalisiert und den Forschern weltweit zugänglich.«
»Wird davon etwas in Erlangen gezeigt?«
»Ja, einige dieser Platten geben wir in die Ausstellung. Und dann natürlich einige astronomische Instrumente. Davon haben wir eine hübsche kleine Sammlung.«
Anne und Frank folgten Professor Corrodi hinaus in den Park und zurück zur Villa, von wo aus ein langer Gang das Hauptgebäude mit dem Observatorium verband. Hier waren die historischen Instrumente ausgestellt: Sextanten und Oktanten, Fernrohre und Teleskope, Weitwinkelkameras und Sternenkarten. Meisterwerke der Feinmechanik aus matt schimmerndem Kupfer, edlen Tropenhölzern und mit fein geschliffenen Linsen. Die Journalistin steuerte auf das größte Exponat zu, ein etwa vier Meter langes, dickes Fernrohr ausdunklem Holz mit Metallbeschlägen, und strich mit der Hand darüber. »Das sieht ja schön aus. Kommt das auch in die Ausstellung?«
»Nein, das ist viel zu sperrig und zu empfindlich. Aber dieses kleine Tischfernrohr zeigen wir.« Er deutete auf ein unterarmlanges Holzfernrohr mit Messingbeschlägen auf einem Stativ. »Seitdem ich da hindurchgeschaut habe, ist mein Respekt vor
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