Tod im Dom
erfahren, daß er hier im Kurhotel wohnt.«
»Eine echte Tragödie – mitten in der Kur zu sterben. Wirft auch ein schlechtes Licht auf das Hotel.« Er rieb sich das Kinn. »Kein Wunder, daß die mit Auskünften so knauserig sind. Die fürchten wohl, daß man sie verklagt.«
»Verklagt?« Ich wurde hellhörig. »Wieso? War mit seinem Tod irgendwas nicht in Ordnung?«
Reutling lachte. »Mit dem Tod ist nie was in Ordnung, junger Mann. Aber nein, Ihr Onkel starb an Herzversagen. Ganz plötzlich. Abends war er noch quietschfidel, am nächsten Morgen mausetot.« Er sah sich verschwörerisch um. »Ich hab’ ja immer gesagt, daß das Fitneß-Programm hier die Leute überfordert. Früher oder später mußte jemand umkippen.«
»Hatte er Besuch?« fragte Anja unvermittelt. »War vor seinem Tod vielleicht jemand bei ihm?«
»Ja, jetzt, wo Sie’s erwähnen – am Tag, bevor er starb, hab’ ich ihn mit zwei Männern im Park gesehen. Fiel mir sofort auf, weil Ihr Onkel sonst nie Besuch bekam. War wohl auch kein angenehmer Besuch. Hinterher ist er mit ’nem richtigen Weltuntergangsgesicht auf sein Zimmer gestürmt und dann auch bald gestorben.«
Reutling zuckte mit den Schultern.
»Vielleicht lag’s doch nicht am Fitneß-Programm; vielleicht lag’s an den Besuchern. Könnte sein, daß die ihm mitgeteilt haben, daß die ganze Sache mit der Erbschaft ein Irrtum war und aus den rauschenden Parties in Spanien nichts wird.«
Vielleicht hatte Reutling damit mehr recht, als er ahnte. Mir kam ein furchtbarer Verdacht.
»Sagen Sie – diese Besucher… War einer von den Männern vielleicht, äh, ungewöhnlich häßlich?« Ich ließ mein vertrauenerweckendes Lächeln aufblitzen. »Das könnte Onkel Makarow gewesen sein – ein angeheirateter Onkel, völlig untypisch für die Familie.«
»Häßlich? Nee, die sahen ganz normal aus. Seriöse Leute. Teuer gekleidet, teures Auto, Mercedes der S-Klasse. Mit Münchner Nummer, wenn ich mich nicht täusche.« Reutling zwinkerte mir erneut zu. »Von Ihrem Erbe können Sie sich jetzt wohl auch einen Mercedes kaufen, was?«
Anja kramte in ihrer Pink-Panther- Tasche. »Erkennen Sie einen von den Männern auf dem Foto wieder?« sagte sie und hielt ihm Pastichs ausgeschnittenes Express- Foto vor die Nase.
»Und ob.« Reutling nickte. »Das ist der Große, der mit dem Hut. Der andere war ’n Glatzkopf. Hatte ein Gesicht so rot wie’n Feuerwehrauto. Zu hoher Blutdruck, wenn Sie mich fragen. Kommt vom Alkohol – die vielen Münchner Biergärten, Sie wissen schon.«
Anja und ich wechselten einen Blick. Pastich hatte Schönbrunn also besucht. Und der andere Mann – der Glatzkopf aus München – war möglicherweise dieser Machetzky gewesen, die Nummer drei auf der Liste.
Ich hörte hinter uns Motorenlärm, das Knirschen von Autoreifen auf dem frischgefallenen Schnee. Dann erstarb das Brummen des Motors. Dumpf fiel eine Wagentür ins Schloß. Reutling sah an uns vorbei und kniff die Augen zusammen.
»Sagen Sie«, brummte er, »wie hieß dieser häßliche angeheiratete Onkel von Ihnen noch gleich?«
»Was?« Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch. »Äh, Makarow. Wieso?«
»Tscha, da steigt gerade jemand aus«, sagte Reutling, »der ist so häßlich, daß ich ihm im Dunkeln lieber nicht begegnen würde. Könnte nach der Beschreibung glatt Ihr Onkel sein.«
Ich drehte mich um.
Auf dem Parkplatz, nur ein paar Meter von unserem Trabbi entfernt, stand ein dunkelblauer Mercedes-Transporter mit der Aufschrift Blitz-Spedition. Und neben dem Transporter…
»O nein!« sagte ich.
Aber er war es. Mr. Häßlich. Der Killer aus dem Dom.
Und er war nicht allein.
Der Mann am Steuer hatte sich leicht verändert, seit ich ihn zum letztenmal gesehen hatte, doch trotz des Kopfverbands und des von Pflastern übersäten Gesichts erkannte ich ihn sofort wieder.
Es war der Stämmige, der uns im Kölner Hauptbahnhof aufgelauert und uns anschließend die mörderische Verfolgungsjagd über die Autobahn geliefert hatte. Ich hatte seine Zähigkeit eindeutig unterschätzt.
Offenbar war mehr als nur ein Schwerlaster nötig, um ihn umzubringen.
8
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Häßlichkeit ist wie ein böser Fluch und verdirbt auf die Dauer den Charakter. Ein schlechter Charakter macht noch häßlicher, was den Charakter weiter verdirbt, was noch häßlicher macht, und so schaukeln sich Körper und Seele gegenseitig hoch, bis ihnen kein Schönheitschirurg und kein Nervenarzt mehr helfen kann.
Mein mörderischer Mr.
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