Tod im Dom
ich noch über eine überzeugende Ausrede nachdachte, wanderten seine Blicke ebenfalls zum Trabbi. Dann überzog ein häßliches Grinsen sein häßliches Gesicht.
»Die Tasche ist im Trabant, nicht wahr? Natürlich. Sie sind auf der Flucht – wo sollten Sie sie sonst aufbewahren? Sehr gut, das erspart uns eine Menge Probleme.« Seine Stimme veränderte sich abrupt, wurde hart und drohend. »Sie werden die Tasche jetzt holen, Hendriks, und eine kleine Spazierfahrt mit uns machen. Zusammen mit Ihrer kleinen Freundin. Sie hätten nicht herumschnüffeln sollen. Diese Sache geht Sie nichts an.«
»Ach ja? Ich werde wegen eines Mordes gesucht, den Sie begangen haben, und Sie sagen, daß mich diese Sache nichts angeht?« Ich lachte freudlos. »He, was ist los mit Ihnen? Glauben Sie wirklich, ich gehe für Sie in den Knast?«
»Dafür ist es jetzt zu spät«, erklärte der Major in einem wenig vertrauenerweckenden Tonfall. »Sie sind hier, also kennen Sie die Liste. Ich kann es mir nicht leisten, Sie mit der Polizei sprechen zu lassen.«
Ich schluckte.
Die Drohung war unüberhörbar.
Anja schluckte ebenfalls.
»Aber wir wissen nichts, rein gar nichts, ehrlich«, sprudelte sie hervor. »Und mit Schönbrunn haben wir auch nicht gesprochen – er ist schon seit gut einer Woche tot! Herzinfarkt. Sie können uns also ruhig laufen…«
»Genug geredet«, sagte der Major barsch. »Sie holen die Tasche aus dem Trabbi und steigen bei uns ein. Sofort.«
Er gab Paul einen Wink, und Paul öffnete grinsend die Tür des Mercedes-Transporters. Einladend wie ein Sarg. Ich schwitzte heftiger. Sie würden uns umbringen, soviel stand fest. Sie würden uns umbringen, den Doppelmord als Doppelselbstmord inszenieren, und das war es dann. Sobald unsere Leichen gefunden waren, würde die Kölner Polizei die Mordakte Hendriks/Pastich schließen, und der häßliche Stasi-Major konnte ungestört die vier anderen Männer auf der Liste massakrieren.
Ein feiner Plan.
Aber nichts für meine sensible Seele.
»Also, ich steig da nicht ein!« sagte ich entschlossen.
»Und ich erst recht nicht«, fügte Anja kämpferisch hinzu.
Unsere Standhaftigkeit beeindruckte den Major nicht im geringsten.
»Paul, bring Sie zur Vernunft!« befahl er knapp.
Paul schien nur auf diesen Moment gewartet zu haben. Er zog die Pistole und bohrte mir die Mündung hingebungsvoll in die Magengrube. Ich sah nach unten und bekam ein flaues Gefühl. Vielleicht hatte ich die Skrupellosigkeit dieser Leute doch unterschätzt. Vielleicht würden sie uns gleich hier vor dem Hotel erschießen, wenn wir nicht gehorchten und in den Transporter stiegen. Aber wenn wir in den Transporter stiegen, würden sie uns auf jeden Fall erschießen.
Also blieb ich, wo ich war.
Anja zeigte sich solidarisch und blieb dicht an meiner Seite. Sie hatte die Hand noch immer in der Pink-Panther- Tasche,und mit einem neuerlichen Schweißausbruch mußte ich an ihr anti-imperialistisches Schlachtermesser denken. Hoffentlich machte sie keinen Fehler. Wenn die Krise eskalierte, würde ich am meisten darunter leiden.
»Los, Freundchen«, zischte Paul. »Du hast gehört, was der Major gesagt hat. Wir holen jetzt…«
Er verstummte plötzlich, sah nach unten und wurde unter seinen Pflastern ganz blaß. Ich fürchtete das Schlimmste, sah ebenfalls nach unten und fand meine Befürchtung bestätigt – Anja hatte das Messer gezückt und es ihm zwischen die Beine gebohrt.
»Oje«, sagte ich.
»O ja«, sagte Anja grimmig.
Sie drückte mit dem Messer etwas fester zu, so daß die Spitze den Stoff der Hose durchbohrte und sein empfindlichstes Körperteil ritzte. Paul bekam große furchtsame Augen.
»Eine falsche Bewegung«, fügte Anja noch grimmiger hinzu, »und du kannst im Kastratenchor singen.«
»Verdammt, weg mit dem Messer!« keuchte Paul. »Weg mit dem Messer, oder ich schieße!«
Ich war einer Ohnmacht nahe, aber Anja ließ sich nicht beirren – sie gab ihm einen warnenden Stups mit dem Messer. Ich sah mich schon mit einem Bauchschuß auf dem Boden liegen und mein kostbares Blut im Schnee verströmen, doch Paul schoß nicht, sondern winselte nur, als wollte er seine Eignung für den Kastratenchor unter Beweis stellen, und schielte hilfesuchend zu Mr. Häßlich hinüber.
»Major, tun Sie doch was!« japste er. »Diese Frau ist wahnsinnig, völlig wahnsinnig! Die sticht mich glatt ab!«
Der Beitrag des Majors zur Krisenlösung erwies sich erwartungsgemäß als wenig hilfreich.
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