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Tod im Dom

Tod im Dom

Titel: Tod im Dom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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Berufskriminellen Harry Hendriks«, der »durch seine Fingerabdrücke auf der Tatwaffe zweifelsfrei als Täter« identifiziert sei. Jede Spekulation »über andere als die tatsächlichen Hintergründe« wären nichts weiter als »unverantwortliche Sensationsmache« und von ihm, Oberkommissar Grosch, »in aller Schärfe zu verurteilen«.
    Genauso hatte ich es mir vorgestellt.
    Kein Wort über den Brief, den ich der Polizei in meiner Wohnung hinterlassen hatte; dafür die grimmige Versicherung, daß die Fahndung »auf Hochtouren« liefe und ich »nicht die geringste Chance« hätte, sowie der Aufruf an alle Denunzianten von Köln, mich gegen ein Kopfgeld von dreitausend Mark an die Polizei zu verpfeifen.
    Mein einziger Trost war die erbärmliche Qualität des abgedruckten Fahndungsfotos. Selbst ich hatte Mühe, mich auf dem zwei Jahre alten Bild zu erkennen. Mit meiner neuen Frisur, meiner inzwischen tiefschwarzen Haarfarbe und meiner neuen Identität als Präsident der Cologne Skater war ich vor den Nachstellungen der Kölner Denunzianten sicher – um so mehr, als Köln längst hinter uns lag und ich nicht die Absicht hatte, vor der Klärung dieser absurden Vorwürfe in die Domstadt zurückzukehren.
    Die Nummer zwei auf dem Zettel des Killers hieß Wolf Schönbrunn. Er wohnte in einem kleinen Kaff im Schwarzwald, irgendwo in der Wildnis zwischen Freudenstadt und Baden-Baden, und ich konnte für uns beide nur hoffen, daß er etwas Licht in diese dunkle Angelegenheit bringen würde. Ich hatte vor, ihn mit der Meldung von Pastichs Ermordung zu konfrontieren und…
    Ja, was dann?
    Ich hatte nicht die blasseste Ahnung.
    Alles hing von seiner Reaktion ab.
    Vorausgesetzt, Mr. Häßlich spürte ihn nicht vor uns auf. Noch ein Rendezvous mit einer Leiche würde mir den Spaß am Leben endgültig verderben. Und ein Rendezvous mit der Stasi erst recht.
    Anja war natürlich völlig anderer Meinung.
    »Die Stasi«, sagte sie ergriffen, während sie den Trabbi über die A3 Richtung Schwarzwald steuerte und auf der Überholspur an einem völlig überraschten Mantafahrer vorbeizog, der uns anstarrte, als wären wir soeben vom Mond gefallen. »Etwas Besseres hätte dir gar nicht passieren können! Wenn du den Fall löst, bist du wirklich ein Held – vor allem bei uns im Osten. Wir haben ja gewußt, daß der VEB Guck, Horch und Greif noch immer aktiv ist, aber daß diese Schweine nicht einmal davor zurückschrecken, im Kölner Dom zu morden …! Es ist ungeheuerlich!«
    Der Manta drehte auf, rückte uns gefährlich nahe an die Stoßstange und versuchte, uns per Lichthupe auf die rechte Schleichspur zu scheuchen. Anja ignorierte ihn. Oder sie hatte ihn nicht einmal bemerkt, weil sie viel zu sehr mit der Stasi und meinem zukünftigen Heldentum beschäftigt war.
    »Vielleicht steckt sogar Mielke persönlich dahinter!« spekulierte sie fasziniert weiter. »Vielleicht ist er der Killer – häßlich genug ist er ja.«
    »Mielke sitzt im Knast«, erinnerte ich. »Er sitzt völlig gaga in seiner Zelle und telefoniert den ganzen Tag, und niemand weiß, mit wem. Vermutlich mit Stalin.«
    »Er telefoniert? Wieso hat dieser Mistkerl denn ein Telefon in der Zelle?«
    »Keine Panik – es ist nicht angeschlossen. Sie mußten ihm eins geben. Er hat wochenlang das Wachpersonal genervt und so lange gezetert, bis sie ihm einen toten Apparat in die Zelle stellten. Seitdem telefoniert er. Muß ein gespenstischer Anblick sein.«
    Ich rutschte auf dem harten Plastesitz des Trabbis hin und her, verrenkte probeweise die eingeklemmten Beine, stieß mir den Kopf am Plasteverdeck und gab dann jede Hoffnung auf eine halbwegs bequeme Haltung auf. Wir waren erst eine knappe Stunde unterwegs, und ich fühlte mich bereits wie gerädert. Wenn wir in diesem Schwarzwaldkaff ankamen, würde mir wahrscheinlich nicht einmal mehr der beste Physiotherapeut helfen können.
    Der Manta hinter uns hupte; es klang wie das Tuten eines Nebelhorns.
    »Früher in Bautzen«, empörte sich Anja, »gab’s für die Regimegegner kein Telefon in der Zelle. Weder ein totes noch ein funktionierendes. Es ist ein Skandal, daß die Bonzen immer noch wie Bonzen behandelt werden!«
    »Das ist der Rechtsstaat. Läuft alles unter Resozialisierungsmaßnahmen. Vom Stasi-Boß zum Spiritisten. Was soll’s – von mir aus kann der arme Kerl so lange mit Stalin telefonieren, wie er will.«
    »Der arme Kerl?« Anjas unschuldiges Madonnengesicht rötete sich vor Zorn. »Dieses Schwein hat uns

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