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Tod im Dom

Tod im Dom

Titel: Tod im Dom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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wie Schönbrunn oder der gute Jochen Wernecke aus Leipzig, aber Sie können trotzdem Onkel zu mir sagen.«
    Schwere Atemzüge; Machetzky schien schwer beeindruckt.
    »Ich verstehe«, sagte er, obwohl ich mir ziemlich sicher war, daß er nicht verstand. »Sie wollen mit mir reden? Nicht am Telefon. Können wir uns irgendwo treffen? Ich kenne da ein Café…«
    »Bei Ihnen«, erklärte ich. »In einer Stunde.«
    »Aber…«
    Kein Aber – ich legte auf.
    Onkel Makarow konnte es sich nicht leisten, Machetzky in irgendeinem Café zu treffen. Onkel Makarow wollte Antworten und keine Lügen oder Ausflüchte, und Onkel Makarow wußte, wie er diese Antworten bekommen konnte – mit einem vertrauenerweckenden Lächeln und einer scharfgemachten Handgranate. Zeugen konnten dabei nur stören.
    Ich genehmigte mir einen neuen Cognac und hielt Ausschau nach Anja. Die Minuten verstrichen, aber sie tauchte nicht auf. Vielleicht kroch sie in der Frauenkirche auf dem Boden herum und begutachtete irgendein völlig belangloses Mosaik, während ich mich vor lauter Sorge der Trunksucht ergab.
    Ich wartete und wartete.
    Meine Besorgnis verwandelte sich allmählich in Wut.
    Zum Teufel, sie wußte doch, daß wir nicht zum Sightseeing nach München gekommen waren! Für mich ging es um Kopf und Kragen, und sie gab sich ihren fragwürdigen kunsthistorischen Ambitionen hin! Ich hätte mich längst von ihr trennen sollen. Ich hätte das Geld aus der Tasche des Majors nehmen und mit dem nächsten Flugzeug nach Ibiza düsen sollen, statt mich mit den Killern von der Stasi und Anjas Liebesschwüren herumzuschlagen.
    Was machte ich überhaupt hier?
    Was war los mit mir?
    Wollte ich wirklich mit diesem Machetzky reden? Was war, wenn Paul und der Major wieder auftauchten? Oder wenn Machetzky über Pastichs Ermordung Bescheid wußte, nach meinem Anruf um sein eigenes Leben fürchtete und die Polizei alarmierte? Und was war, wenn Anja es sich anders überlegt hatte und zurück nach Leipzig gefahren war?
    Wenn sie mich im Stich gelassen hatte, war ich in München gestrandet, mittellos und ohne Hoffnung, meine Unschuld zu beweisen.
    Entsetzt ließ ich mir einen neuen Cognac kommen.
    Die Makarow und die drei Handgranaten befanden sich mit meinen übrigen Klamotten im Trabbi und die fünfzehn Riesen in ihrer verdammten Pink-Panther- Tasche, bei ihrem verdammten anti-imperialistischen Schlachtermesser. Ich hatte nur das, was ich am Leib trug, und etwas Kleingeld, das kaum dazu ausreichen konnte, meine horrende Cognacrechnung zu bezahlen.
    Was sollte ich nur tun? Sie im Schneetreiben suchen gehen und womöglich selbst erfrieren?
    Ich entschied mich fürs Bleiben.
    Schließlich liebte sie mich. Oft genug gesagt hatte sie es zumindest. Ich war ihr vom Schicksal gesandter Märchenprinz! Sie konnte mich doch nicht im Stich lassen! Verdammt, ich hatte mich doch schon an sie und ihren rosaroten Trabbi gewöhnt!
    Aber vielleicht hatte ich Anja nicht richtig behandelt.
    Vielleicht hätte ich mehr auf sie eingehen sollen – am besten im Bett. Hin und wieder ein nettes Wort über ihr Aussehen hätte auch nicht geschadet. Oder über ihren erstaunlichen Sex-Appeal, den sie so perfekt mit der Öljacke und der Teleskopbrille tarnte!
    Ich äugte deprimiert in mein leeres Cognacglas.
    Sie fehlte mir.
    Es war kaum zu glauben, aber sie fehlte mir sogar sehr, und das nicht nur, weil ich ohne Handgranaten, Geld und Trabbi kaum eine Chance für ein Leben in Freiheit sah.
    Sie fehlte mir vor allem, weil ich sie liebte.
    Auf den Schock trank ich einen neuen Cognac.
    Es mußte Liebe sein. Anders ließ sich dieses Gefühl kosmischer Verlorenheit und quälender Sehnsucht nicht erklären. Ich, Harry Hendriks, Taschendieb, Lebenskünstler, Mordverdächtiger und Ibizafan, hatte mich in eine kleine blonde Ossi mit Babyspeck und Kamikazementalität verliebt.
    Hoffentlich sprach sich das nicht herum.
    Das wäre das Ende meiner Glaubwürdigkeit – vor allem bei den Strandschönheiten von Ibiza.
    Ich blickte wieder hinaus ins Schneetreiben.
    Keine Spur von Anjas bananengelber Öljacke, keine Spur von einem Teleskop auf Beinen. Dafür sah ich eine schlichtweg überirdische Erscheinung durch den wirbelnden Schnee stöckeln, als hätte sich das Schicksal spontan entschlossen, mich mit einem Engel über den Verlust meiner Liebsten hinwegzutrösten.
    Die überirdische Erscheinung trug hochhackige Lackstiefel, eine hautenge Lederhose, einen knielangen Kaschmirmantel und einen Hut mit kolossal

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