Tod im Dünengras
herumirren.
Mamma Carlotta lehnte am Waschbecken, die Arme vor der Brust
verschränkt, und war noch immer zu keinem Ergebnis gekommen, als plötzlich die
Tür aufgerissen wurde. Eine junge Frau stürzte herein, die Hand vor den Mund
geschlagen. Einen Augenblick später, gerade noch rechtzeitig, beugte sie sich
über eine Toilettenschüssel und würgte alles heraus, was sie zu sich genommen
hatte. In der Eile war sie nicht einmal dazu gekommen, die Tür hinter sich zu
schlieÃen.
Zwei Schritte, und Mamma Carlotta hätte ihr Beistand leisten, ihr
tröstend die Hand auf den Rücken legen und ihr sanft zureden können. Aber Mamma
Carlotta regte keinen Finger. Einer Mörderin helfen? Mamma mia! No!
Susanna würgte immer noch, als die Tür erneut aufsprang und Giovanna
auf der Türschwelle erschien. Vermutlich war sie Susanna sofort gefolgt, aber
auf ihren Pfennigabsätzen hatte sie deren Vorsprung natürlich nicht aufholen
können.
»Susala!«, rief sie und stand schon hinter der jungen Frau, die sich
nun aufrichtete und über die Stirn strich. »Poverina!«
Fürsorglich geleitete sie Susanna zum Waschbecken, schob Carlotta
unwirsch zur Seite und stellte für Susanna den Wasserhahn an. Mit einem
ärgerlichen Blick strafte sie Mamma Carlotta für ihre mangelnde Hilfsbereitschaft.
Noch während Susanna sich mit beiden Händen das Wasser ins Gesicht
schlug, fragte Giovanna: »Du bist schwanger, vero?«
Susanna antwortete nicht, aber ihr Schweigen war Giovanna Antwort
genug. »Das ist ja wunderbar!«, rief sie. »Meraviglioso! Wie traurig, dass
Francesco das nicht mehr erleben durfte! Aber so wird doch etwas von ihm
bleiben, wenn wir ihn zu Grabe getragen haben!«
Susanna richtete sich auf, starrte Giovanna kurz an, dann nahm sie
die Papiertücher entgegen, die Giovanna eilig aus einem Spender gezogen hatte,
und begann sich das Gesicht abzutrocknen.
»Mach dir keine Sorgen«, redete Giovanna weiter. »Wir werden für das
Kind da sein. Meine Schwester wird sich über den Enkel freuen. Du wirst nicht
allein sein mit dem Baby. Selbstverständlich gehörst du zur Familie, wenn es
auch ⦠wenn es auch zur Hochzeit ⦠nicht mehr gekommen ist.« Während der
letzten Wörter war sie unsicher geworden. »Warum siehst du mich so komisch an?«
Susanna sah Giovanna nicht komisch an, sondern so, als wollte sie
ihr den Hals umdrehen. Mamma Carlotta lief eine Gänsehaut den Rücken herunter,
obwohl Susannas Blick nicht ihr galt. Sie war sicher: So hatte die schöne
Kellnerin auch Utta Ingwersen angesehen, kurz bevor sie zuschlug.
»Lass mich in Ruhe!«, stieà Susanna hervor. »Wann kapierst du
endlich, dass ich mit Francesco nichts mehr am Hut hatte? Ich war mal in ihn
verliebt, ja. Aber da war ich noch ein Kind. Und ich habe mich gefreut, ihn
wiederzusehen, ja. Aber nicht lange! Einen halben Tag habe ich gebraucht, um zu
merken, dass er ein Arschloch war!«
»Aber ⦠aber, Susala â¦Â«, stotterte Giovanna.
»Wenn das Kind, das ich erwarte, von Francesco wäre, hätte ich es
längst abgetrieben!«
»Madonna!«, flüsterte Giovanna. »Aber Francesco hat doch gesagt â¦Â«
Susanna lieà sie nicht aussprechen. »Der hat viel gesagt, wenn der
Tag lang war. Er kam sich ja so groÃartig vor, weil er neuerdings Kohle hatte.
Der meinte, darauf müsste jede Frau abfahren. Ich habe ihm hundertmal gesagt,
dass ich ihn nicht heiraten werde. Und er hat hundertmal geantwortet, dass ich
schon merken würde, dass ich in Wirklichkeit nur ihn liebe.« Sie ging zur Tür
und warf einen Blick zurück, der so voller Abneigung war, dass Giovanna keinen
Ton mehr herausbrachte und Mamma Carlotta wie erstarrt dastand. »Dem Kerl weine
ich keine Träne nach.«
Nun fand Mamma Carlotta plötzlich ihre Stimme wieder: »Warst du es
vielleicht sogar, die ihn umgebracht hat?«, fragte sie aus einer Eingebung
heraus.
»Gute Idee!«, kam es spöttisch von Susanna zurück. »Da hätte ich
selbst drauf kommen können.«
Giovanna griff sich ans Herz, als die Tür hinter Susanna ins Schloss
gefallen war. »Wie kann sie nur so etwas Schreckliches sagen?«
»Es blieb ihr ja nichts anderes übrig«, gab Mamma Carlotta
aufgebracht zurück. »Wie kannst du immer wieder davon anfangen, dass Francesco
und Susala heiraten
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