Tod im Dünengras
erwischt?«
Erik betrachtete sein grobes Gesicht, das schlecht rasierte Kinn,
die kleinen schlauen Augen, die grobporige Nase, dann entschloss er sich,
freundlich zu sein. »Die Morde wurden von Italienern begangen«, erklärte er.
»Die beiden haben sich in ihre Heimat abgesetzt. Aber die Auslieferung erfolgt
in Kürze, dann werden wir bald mehr wissen über den Tathergang.«
»Wieso sagt die Staatsanwältin mir das nicht?«, fragte Menno
Koopmann entgeistert.
»Weil die Sache nicht an die groÃe Glocke gehängt werden soll, bevor
wir die Kerle wieder in Deutschland haben«, antwortete Erik. »Und ich rate
Ihnen dringend, vorher keine Silbe davon zu drucken.«
Koopmann grinste. »Und was kriege ich dafür? Eine Exklusivstory?« Er
schrieb mit der rechten Hand eine Schlagzeile in die Luft. »Hauptkommissar Wolf
packt aus! Die Leser des Inselblattes erfahren es aus erster Hand!«
»Geht in Ordnung.« Erik trug seine Tasse zu dem Geschirrwagen, der
für die Aufnahme des benutzten Geschirrs bereitstand.
So schnell und glimpflich war ein Treffen mit Menno Koopmann noch
nie abgelaufen. Unter anderen Umständen hätte Erik niemals eine Frage an ihn
gerichtet, die privater Natur war, aber Koopmann war naturgemäà immer gut
informiert und kannte Hinz und Kunz auf Sylt. Daher blieb Erik auf dem Weg zur
Tür an der Theke stehen, wo der Chefredakteur gerade seine belegten Brötchen in
Empfang nahm. »Eine Frage noch, Herr Koopmann ⦠haben Sie schon einmal von einer Familie Silbereisen auf Sylt gehört?«
Koopmann starrte ihn an. »Auf Sylt? Nö! Ich kenne nur Florian
Silbereisen. Aber der kommt aus Bayern!«
Erik war überrascht. Aus Bayern stammte der Junge? Erstaunlich, dass
ihm gar kein Dialekt aufgefallen war!
Bevor er weiterfragen konnte, fügte Menno Koopmann an: »Singen kann
der wie kein Zweiter! Also, ich finde den Jungen groÃartig.«
»Und ⦠persönlich?«
Koopmann zuckte die Achseln. »Persönlich kenne ich ihn nicht. Aber
ich finde, das ist ein sympathischer Bursche!« Er lachte. »Warum fragen Sie
mich das?«
»Nur so!« Erik fühlte sich leichter, als er die Bäckerei verlieÃ.
Zwar gab er sonst nichts auf Koopmanns Meinung, aber in diesem Fall gefiel sie
ihm so sehr, dass er zu ignorieren beschloss, von wem sie stammte. Er war
erleichtert, dass es jemanden gab, der Carolins Freund sympathisch fand. Dass
er gut singen konnte, hatte er sich schon gedacht, sonst wäre er nicht Mitglied
des Inselchors geworden. Vielleicht war ein talentierter Bursche, der einem
schon von Berufs wegen kritischen Menschen wie Menno Koopmann gefiel, doch der
richtige Freund für seine Tochter?
Mamma Carlotta fiel es während der Chorprobe nicht nur
schwer, sich aufs Singen zu konzentrieren, sie war ausnahmsweise auch unfähig,
uneingeschränkten Stolz auf ihre Enkelin zu empfinden. Dabei hätte sie Grund
genug gehabt. Carolin meisterte ihre Aufgabe souverän, es gab sogar einige
Chormitglieder, die sich zutuschelten, dass sie die geborene Chorleiterin sei
und beinahe noch besser als Vera Ingwersen. Immer wieder flogen Carolins Augen
zu ihrer Nonna, um sich dort bestätigen zu lassen, dass sie alles gut und
richtig machte, aber Mamma Carlotta gelang es jedesmal nur mit Mühe, ihr das
anerkennende Lächeln zu schenken, das Carolin zu Recht erwartete. Sie war
einfach nicht fähig, an etwas anderes zu denken, als an das, was sie in Susalas
Bewerbungsmappe gesehen hatte.
Carolin hob die Arme, sämtliche Sänger waren mucksmäuschenstill, und
auf ihr Zeichen begannen alle zu singen â nur Mamma Carlotta nicht. Erst als
Carolin sie strafend ansah, riss sie sich zusammen ⦠und sang prompt
mitten in eine Pause hinein, sodass die Probe unterbrochen werden musste. Alle
anderen lachten, als die GroÃmutter von ihrer Enkelin getadelt werden musste,
Mamma Carlotta selbst allerdings konnte sich nicht einmal ein Lächeln abringen.
Sie schämte sich entsetzlich. Da war Carolin auf dem besten Wege, ihre ersten
Sporen als Chorleiterin zu verdienen, und sie, ihre Nonna, könnte ihr helfen,
indem sie auf jede ihrer Gesten achtete, damit das Ergebnis ihrer Arbeit sich
hören lassen konnte! Und was tat sie? Sie patzte! Sie musste sich endlich
zusammenreiÃen! Nach der Chorprobe würde Zeit genug zum Nachdenken sein. Jetzt
musste sie singen! Das richtige Lied, die
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