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Tod im Dünengras

Tod im Dünengras

Titel: Tod im Dünengras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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unentbehrlich
gemacht hatte. Der Münchener Chor, in dem Vera vor zwei Jahren noch sang, hatte
ein Gastspiel in Keitum gegeben, und Vera war auf der Insel geblieben, um ein
paar Urlaubstage zu genießen. Bei dieser Gelegenheit war sie Arne Ingwersen begegnet,
hatte sich Hals über Kopf in ihn verliebt und ihn schon bald geheiratet. Damit
bekam die Muschel II, das Restaurant,
das Arne Ingwersen soeben übernommen hatte, eine Chefin, die zwar nichts von
Gastronomie wusste, aber trotzdem ihren Mann stand.
    Â»Ihre Eltern besaßen eine Metzgerei in der Nähe von München«,
erzählte Carolin weiter. »Die sollte Vera eigentlich mit ihrem Bruder zusammen
weiterführen. Aber der heiratete eine Frau, mit der Vera sich nicht verstand,
deswegen entschloss sie sich zu einer kaufmännischen Ausbildung.«
    Â»So was kann man in einem Restaurant schließlich auch gut
gebrauchen«, ergänzte Mamma Carlotta etwas geistesabwesend. Sie musste sich
gewaltig zusammenreißen, um Carolins Erzählungen zu folgen und sie nicht merken
zu lassen, dass ihr die Freude aufs Chorsingen gründlich vergangen war.
    Beim Radeln durch die herrliche Sylter Landschaft, beim Blick über
die weiten Wiesen und in die weißgrauen Wolken, die über sie hinweghetzten,
kreisten immer wieder dieselben Gedanken in ihrem Kopf: Was wird aus dieser
wunderschönen Insel, wenn sich die Mafia hier breitmacht? Muss Erik dann einem
großen Kommissariat vorstehen, das viele Mitarbeiter braucht, weil der Kampf
gegen die Skrupellosigkeit sonst nicht zu gewinnen war?
    Sie starrte am Turm der Keitumer Kirche hoch, ohne aufzunehmen, was
Carolin ihr von der St.-Severin-Kirche erzählte. »Früher hat Sylt mal elf
Kirchen gehabt! Aber von denen sind nur St. Martin in Morsum und St. Severin
erhalten geblieben. Angeblich wurde diese Kirche schon 1240 urkundlich erwähnt.
Damals war Sylt viel größer und noch keine Insel.«
    Während Mamma Carlotta das Gesicht zu einer ehrfürchtigen Grimasse
verzog, dachte sie nur an das eine: Ihre Enkelkinder würden nicht in Ruhe und
Sicherheit aufwachsen können. Wie die Mafia mit den Polizisten umging, die sie
bekämpften, war ja bekannt. Und dass sie auch deren Familien nicht verschonten,
wusste in Italien jedes Kind.
    Â»Sylt ist erst 1362 durch eine große Sturmflut zur Insel
geworden, Nonna. Damals wurden große Teil von Sylt weggerissen, die die Insel
vorher mit dem Festland verbunden hatten.«
    Mamma Carlotta nickte geistesabwesend. »Vielleicht solltest du doch
Lehrerin werden?«
    Doch Carolin blieb bei ihrem Plan, eine Karriere als Sängerin
einzuschlagen. Während sie weiterfuhren, legte sie ihrer Nonna dar, wie sie
sich das vorstellte. Und da ihre Pläne eindeutig in die Kategorie der
Luftschlösser gehörten, hatte Mamma Carlotta kein schlechtes Gewissen, dass sie
nur mit halbem Ohr zuhörte.
    Was würde Erik überhaupt tun können? Das Schweigen der Opfer, die
lieber zahlten, als um ihr Leben fürchten zu müssen, sorgte überall dafür, dass
die Mafia ihre Ziele erreichte. So würde es auch auf Sylt geschehen. Wenn sogar
ein Mann wie Tove, der sonst vor nichts Angst hatte, verhindern wollte, dass
zwei Verbrechern das Handwerk gelegt wurde, war es schlimm um die Zukunft
dieser Insel bestellt.
    Sie wurde erst aus ihren trüben Gedanken gerissen, als Carolin vor
ihr auf den Parkplatz eines Restaurants einbog. »Vera hat gesagt, wir sollen vor
der Probe hier vorbeikommen. Dann kann sie in Ruhe mit dir reden«, erklärte
sie, während sie ihr Fahrrad abstellte.
    Mamma Carlotta betrachtete das lang gestreckte weiße Gebäude. Die
Fenster waren klein und quadratisch mit Butzenscheiben, dunkelrote Eriken
wuchsen in den Blumenkästen, dazwischen war kräftiges Efeu gepflanzt worden,
dessen lange Ranken fast bis zur Erde reichten. Über der Eingangstür stand in
sanft schimmernden Leuchtbuchstaben »Muschel II«.
    Ein elegant gekleidetes Paar trat auf die dunkle Glastür zu, die
sich genau im richtigen Moment öffnete, sodass Mamma Carlotta einen Blick auf
festlich eingedeckte Tische, blitzendes Silber, funkelnde Gläser und
gelangweilt herumstehende Ober erhaschte, die besser gekleidet waren als ihr
Dino zu seiner eigenen Hochzeit.
    Erschrocken griff sie nach Carolins Strickjacke. »Müssen wir da
wirklich rein, Carolina?«
    Carolin sah sich erstaunt zu ihr um. »Warum nicht?«
    Mamma

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