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Tod im Dünengras

Tod im Dünengras

Titel: Tod im Dünengras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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als
ich krank war. Und ich muss sagen … alle Achtung!«
    Mamma Carlottas Stolz erreichte prompt schwindelerregende Höhen.
Bevor sie jedoch auf alle weiteren Vorzüge Carolins hinweisen und auch gleich
sämtliche Talente ihrer anderen Enkelkinder zur Sprache bringen konnte, sah
Vera auf die Uhr. »Meine Schwiegermutter muss jeden Augenblick kommen. Dann
können wir aufbrechen. In einer Viertelstunde beginnt die Probe.«
    Als hätte sie auf ihr Stichwort gewartet, betrat eine Frau das Büro.
Nein, Mamma Carlotta korrigierte sich heimlich: Eine Dame war es, die
hereinkam. Und wieder korrigierte sie sich: Nein, sie war nicht hereingekommen,
sie hatte einen Auftritt. Einen winzigen Augenblick war sie in der Tür stehen
geblieben, als wollte sie das Einsetzen das Beifalls abwarten, dann begann ihre
Rolle mit den Worten: »Störe ich?«
    Vera erhob sich und machte Mamma Carlotta mit ihrer Schwiegermutter
bekannt. »Ein neues Chormitglied, wie ich hoffe. Utta Ingwersen, unsere
Solosängerin!«
    Das also war die Dame, die auf einem Konservatorium Gesang studiert
hatte. Mamma Carlotta schüttelte ihr, stumm vor Überwältigung, die Hand.
    Â»Haben Sie auch die Gesangskarriere der Familie zuliebe aufgeben
müssen?«, fragte Utta Ingwersen und strich sich mit einer eindrucksvollen Geste
die glatten kurzen Haare zurück.
    Mamma Carlotta hätte am liebsten bejaht und sich erst später
überlegt, wie diese Übertreibung zu rechtfertigen war, brachte es dann aber
doch nicht über sich. Und kurz darauf musste sie feststellten, dass Utta
Ingwersen an ihrer Antwort ohnehin nicht interessiert war. Diese Frage war nur
das Stichwort für den Monolog, der folgte: Eigentlich hätte sie Karriere machen
können, aber ihr Vater hatte das Studium nur bewilligt, wenn sie sich bereit
erklärte, anschließend das Restaurant zu übernehmen. Dann hatte sie zwar einen
Ehemann gefunden, der in diese Verpflichtung eingesprungen war, der aber ebenso
dagegen war, dass sie als Sängerin Karriere machte. Und dann war sie Mutter
geworden, und der Traum von der Karriere war ausgeträumt. »So ist aus meinem
Talent ein Hobby geworden, und beruflich habe ich mich mit einem
Geschenkartikelladen begnügen müssen.«
    Utta Ingwersen seufzte, während sie ihrer Schwiegertochter und
Carolin zum Ausgang folgte. »Es ist tragisch, dass man als Frau sein ganzes
Leben der Familie opfern muss. Erst dem Vater, dann dem Mann und schließlich
dem Kind.«
    Dazu fiel Mamma Carlotta nichts ein. Mitleidsäußerungen für eine
Frau mit dem Privileg, ein eigenes Geschäft zu führen und überdies in einem
Chor als Solosängerin aufzutreten, wollten ihr nicht so ohne Weiteres über die
Lippen kommen.
    In diesem Augenblick öffnete sich in ihrer Nähe eine Tür, auf der
»Nur für Personal« stand, und eine junge Frau trat heraus. Sie mochte Ende
zwanzig sein, war auffallend schlank und braun gebrannt. Ihr schmales Gesicht
wurde von riesigen dunklen Augen dominiert, das braune lange Haar hatte sie
straff zurückgekämmt und am Hinterkopf festgesteckt. Zu einer weißen Leinenhose
trug sie ein weißes Top und darüber eine weiße Jeansjacke. Der auffällige
braune Modeschmuck machte aus den schlichten Einzelteilen ein raffiniertes
Outfit. Eine junge Frau, die nicht nur sehr hübsch war, sondern es auch
verstand, ihre Schönheit zur Geltung zu bringen.
    Sie lächelte, als sie Vera und Utta Ingwersen sah. »Na, dann wollen
wir mal!« Anscheinend gehörte auch sie zum Inselchor und wollte sich ihnen
anschließen.
    Mamma Carlotta wunderte sich insgeheim über Vera Ingwersens
Reaktion. Sie, die doch angeblich froh war über jedes Chormitglied, warf der
jungen Frau nur einen kurzen Blick zu und erwiderte den Gruß nicht. Da die
junge Frau augenscheinlich nicht nur Mitglied des Inselchors, sondern auch
Angestellte der Muschel II war,
schien es mit dem Betriebsklima nicht besonders gut bestellt zu sein.
    Vor der Tür wurden sie von einer Stimme zurückgehalten. »Vera!«
    Ein auffällig gut aussehender Mann war ihnen gefolgt. Groß und
schlank, mit einem schmalen, intelligenten Gesicht und dunklen Haaren, die er
sorgfältig nach hinten gegelt hatte. Er bedachte Utta Ingwersen mit einem
knappen Lächeln. »Hallo, Mutter!« Dann wandte er sich seiner Frau zu. »Hast du
an die Weinbestellung gedacht?«
    Vera

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