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Tod im Dünengras

Tod im Dünengras

Titel: Tod im Dünengras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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hatte sich sehr geschämt, als er zugeben musste, klein beigegeben
und gezahlt zu haben. Aber ihr Zuspruch hatte ihn aufgerichtet. »Es ist
verrückt, Tove, sich gegen die Mafia zu stellen! Sie haben es ganz richtig
gemacht!«
    Am liebsten hätte sie ihm am Beispiel von Harm und Utta Ingwersen
vorgehalten, wo es hinführte, sich mit einem Mafioso anzulegen, aber es war
ihr, wenn auch nur mit großer Kraftanstrengung, gelungen zu schweigen. Erik war
es wichtig, dass niemand etwas über die Hintergründe dieses Mordes erfuhr, und
Carlotta gab ihm recht. Die Sylter durften nicht in Angst und Schrecken
versetzt werden. Zu ihnen gehörten schließlich auch ihre Enkelkinder. »Ich
werde auf sie aufpassen, Lucia, das verspreche ich dir.«
    Sie hoffte, dass Lucia da oben im Himmel die Angst ihrer Mutter
nicht durchschaute. Wenn Erik demnächst gezwungen sein würde, die Mafia zu
jagen, in welcher Gefahr würden dann seine Kinder schweben? Würde Mamma
Carlotta überhaupt eine Chance haben, die beiden zu schützen? Vielleicht musste
sie Carolin und Felix mit in ihr Dorf nehmen, damit sie nicht irgendwann für
den Mut ihres Vaters zahlen mussten, so wie Utta Ingwersen für den Mut ihres
Mannes gezahlt hatte. »Dio mio!« Mamma Carlotta hatte sich selten so hilflos
gefühlt wie an diesem Tag.
    Sie würfelte die Tomaten, während sie das Olivenöl erhitzte, und
versuchte, sich mit einem Lied von den trüben Gedanken abzulenken. So hatte sie
es oft während der langen Jahre gemacht, die sie an Dinos Bett verbringen
musste. Entweder hatte sie deutsche Vokabeln geübt, hatte Dino alle
Geschichten, die ihr auf Italienisch erzählt worden waren, in deutscher Sprache
wiedergegeben, oder aber sie hatte gesungen. Ihrem schwerkranken Mann war es
wichtig gewesen zu fühlen und zu hören, dass sie bei ihm war, obwohl er sie
schon lange nicht mehr verstand und nur noch selten reagierte. Also war es
gleichgültig, ob sie deutsch oder italienisch mit ihm sprach, ob sie mit ihm
redete oder ihm etwas vorsang. Hauptsache, er wusste, dass sie bei ihm war.
    Dann aber hatte er einmal, in
einem seiner wenigen lichten Momente, mit schwacher Stimme darum gebeten, sie
möge keinen solchen Lärm machen. Und das ausgerechnet, als Carlotta etwas
gelungen war, das gut und gerne eine Koloratur genannt werden konnte. Tief
verletzt war sie gewesen, aber da die Wünsche eines Todkranken vor allen
anderen standen, war bis zu Dinos Tod keine Melodie mehr über ihre Lippen
gekommen. Erst in der Kirche, neben seinem Sarg, hatte sie wieder gesungen und
sich heimlich gewundert, dass ihre Stimme nichts von dem glockenhellen Klang
verloren hatte.
    Die Tomatenwürfel zischten, als sie im heißen Olivenöl landeten. Mamma
Carlotta holte tief Luft, um zu dem Choral anzusetzen, den sie während Dinos
Beisetzungsfeierlichkeiten gesungen hatte, da hörte sie, wie sich ein Schlüssel
in der Haustür drehte.
    Carolins Stimme erklang: »Hallo, Nonna! Bist du zu Hause?«
    Â»Carolina!« Mamma Carlotta war hocherfreut, wie immer, wenn sie
eines ihrer Enkelkinder sah, egal, ob sie gerade aus der Schule oder von einem
längeren Auslandsaufenthalt zurückkehrten. »Hast du eher freibekommen?«
    Carolin betrat die Küche und zog einen blonden jungen Mann hinter
sich her, den Carlotta kannte. »Michael hat mich in der Pause abgeholt. Weißt
du eigentlich, dass er in der Muschel II
ein Praktikum macht? Und stell dir vor, Nonna, er hat mir erzählt, dass was
ganz Schreckliches geschehen ist!«
    Carlottas Neugier hielt sich in Grenzen. Sie wusste, dass ihr
Informationsvorsprung nicht aufzuholen war. Wie angenehm, dass sie es sich
leisten konnte, sich in aller Ruhe mit der Frage zu befassen, ob Carolin etwa
den Unterricht geschwänzt hatte, ob dieser blonde Junge daran schuld und ob er
überhaupt der Richtige für ihre Enkeltochter war.
    Â»Es ging nicht anders«, wehrte Carolin die strenge Nachfrage ihrer
Großmutter ab. »Soll ich etwa seelenruhig Englischvokabeln lernen, während der
Inselchor sich auflöst?«
    Carlotta zog Michael Ohlsen, der verlegen in der Tür stehen
geblieben war, an den Tisch, setzte ihn darüber in Kenntnis, dass sie eine
Tomatensuppe kochte, und fragte ihn, ob er später mit ihnen essen wolle. »Die
Suppe wird auf jeden Fall reichen, Antipasti sind immer genug da, und von dem
Olivenrisotto mache ich eben ein bisschen

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