Tod im Dünengras
Mann verschwunden war, als
Erik in der FriedrichstraÃe auftauchte. Der Verkehrspolizist, dem er
aufgefallen war, glaubte, seiner Pflicht mit der Meldung Genüge getan zu haben.
Niemand hatte ihn angewiesen, den Mann zu verfolgen, den er an einem der
Stehtische vor dem Café Leysieffer entdeckt hatte.
Mit einer vagen Geste zeigte er zum Hotel Roth. »Da irgendwo ist er
verschwunden.«
Ob er das Hotel betreten hatte oder in die Ladenpassage eingebogen
war, die hinter dem Hotel entlangführte, das konnte er nicht sagen. Und von der
jungen Frau, mit der der Mafioso Kaffee getrunken hatte, wusste er auch nicht
viel zu berichten. Sie sei sehr hübsch gewesen, das war alles, was Erik erfuhr.
Nicht einmal, was die Haarfarbe betraf, wollte sich der Verkehrspolizist
festlegen. »Irgendwas zwischen Blond und Braun!« Aber lange Haare habe sie
gehabt, da war er ganz sicher. Und sie hatte sich ziemlich plötzlich
verabschiedet und war eilig in Richtung Bahnhof gelaufen. Der Mafioso hatte
daraufhin einen Geldschein auf den Stehtisch gelegt, ihn mit dem Aschenbecher
beschwert, damit er nicht davonflog, und war in die entgegengesetzte Richtung
gegangen, ohne darauf zu warten, dass die Bedienung den Geldschein kassierte.
Während Sören drauf und dran gewesen war, dem Kollegen von der
Verkehrssicherheit die Dienstmütze abzureiÃen und darauf herumzutrampeln, hatte
Erik sich damit getröstet, dass der Mafioso immerhin noch auf Sylt war. Und da
er einmal gesehen worden war, konnte es gut und gerne ein zweites Mal
geschehen.
»Oder kann es sein, dass er durch Ihr Auftauchen gewarnt worden
ist?«, hatte er eindringlich gefragt.
Aber der Verkehrspolizist schwor Stein und Bein, sich ganz
unauffällig verhalten zu haben, während sein Kollege ebenso unauffällig zum Streifenwagen
gegangen sei und das Kommissariat Westerland verständigt habe.
Erik beobachtete, wie Vetterich und Dr. Hillmot den Toten umdrehten.
Nun endlich winkte Vetterich ihn zu sich hinauf. Sämtliche Spuren waren
gesichert.
Trotz seiner Ungeduld stieg Erik langsam die Düne hoch. Sören, der
den Tatort gerne gestürmt hätte, kannte seinen Chef und blieb hinter ihm, so
schwer es ihm auch fiel. Er hatte längst gelernt, dass Bedächtigkeit nicht nur
zu Eriks Temperament gehörte, sondern auch zu seiner Ermittlungsarbeit. Er
stürzte sich niemals auf einen Fall, er näherte sich ihm.
Dr. Hillmot bat Vetterich, das Gesicht des Toten von Sand und Blut
zu befreien, damit er sich selbst nicht noch einmal bücken oder gar auf die
Knie niederlassen musste. Ohne ein Anzeichen von Unruhe wartete Erik darauf,
dass Vetterich den Blick auf das Gesicht des Toten freigab, während Sören
nervös von einem Fuà auf den anderen trat.
»Die Tatwaffe könnte dieselbe gewesen sein wie bei Utta Ingwersen«,
sagte Dr. Hillmot. »Keine Anzeichen von Gegenwehr. Der Mann scheint ebenfalls
von hinten überrascht worden zu sein. Der Tod ist vor etwa vier Stunden
eingetreten. Vielleicht fünf.«
»Also ist er zwischen Mitternacht und ein Uhr erschlagen worden?«,
meinte Sören.
In diesem Augenblick gab Vetterich den Blick auf die Leiche frei.
Das Gesicht des Mannes war nun gut zu erkennen. Erik hörte, wie Sören scharf
die Luft einsog. Und in diesem Moment stellte Vetterich fest, dass es auch hier
das Symbol der drei Doppelkreise gab. Nur ganz anders.
Mamma Carlotta starrte auf den Zettel, den sie auf dem
Küchentisch gefunden hatte. Und plötzlich war sie ganz sicher, dass das Telefon
zu nachtschlafender Zeit geklingelt hatte. Sie erinnerte sich, dass sie
versucht hatte, sich aufzurichten und die Beine über die Bettkante zu
schwingen. Aber dann war sie wieder zurückgesunken, wollte erst mal Kraft
sammeln ⦠und war vermutlich gleich wieder eingeschlafen, weil das
Klingeln ein Ende gehabt hatte. Das konnte nur bedeuten, dass Erik schneller
gewesen war als sie und das Gespräch angenommen hatte. Das musste auch der
Grund sein, warum er noch vor Sonnenaufgang aus dem Hause gegangen war und nur
diese kurze Nachricht zurückgelassen hatte. Und dass er schneller am Telefon
gewesen war als seine Schwiegermutter, konnte wiederum nur bedeuten, dass er
schlaflos im Bett gelegen hatte. Vermutlich, weil er sich groÃe Sorgen um seine
schöne Insel machte, nach der die Mafia ihre gierigen Klauen ausstreckte.
Wenn er schon vor Tagesanbruch angerufen wurde, bedeutete
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